Der Begriff klingt putzig und harmlos. Mitschnacken. Das Wort entstammt dem Nördlichen Dialekt um Hamburg. Eltern benutzen es etwa, wenn sie ihren Kindern einen Rat mit auf den Weg geben: „Pass auf, lass dich nicht mitschnacken!“ Carolin Emcke greift dieses Wort an diesem Abend auf, das sie, wie viele andere Alltagsbeobachtungen und biographische Erfahrungen, umkreist. Mitschnacken verweist auf etwas, ohne es auszusprechen: sexualisierte Gewalt. „Es soll vor etwas gewarnt werden. Aber es wird nicht benannt“, so Emcke.
Seit der #metoo-Debatte ist bekanntlich vieles zu Wort gekommen, was vorher nicht ausgesprochen worden ist. Mit ihrem neuen Buch „Ja heißt ja und...“ befindet sich Emcke aktuell auf Lesetournee und trug auch bei ihrer Lecture Performane im Schauspielhaus Bochum einen Sound aus Kritik, Analyse und Reflexion vor. Denn ihr Rundumschlag vergisst nicht, das „schreibende Ich“. So lauten die ersten Sätze ihre Buchs: „Am Anfang ist der Zweifel“.
Zweifelnd wie anklagend spannt die Autorin im Laufe des Abends daher den Bogen über Lust und Begehren, Rassismus und Sexismus – und vor allem Macht, die soweit in unsere Sprache hineingreift, dass sie nicht einfach mit den Mitteln der Sprache anzuprangern ist. So landet bei Emcke auch der Slogan „Verpfeife dein Schwein!“ auf dem Prüfstand. Der Satz entstammt der französischen #metoo-Bewegung. Der emanzipatorische Gehalt halte sich allerdings in Grenzen, so Emcke: „dein Täter“ signalisiere noch in der Anklage eine „Anbindung an den Täter.“
Emcke setzt ihren essayistischen Stil auch performativ um. Zwischen den Passagen spielt sie Musik ab oder projiziert Zitate und Statistiken an die Wand: etwa das rückwärtsgewandte Familienprogramm der Alternative für Deutschland oder die erschreckenden Zahlen von häuslicher Gewalt. Gerade Letzteres verbindet sie in ihrem Buch mit persönlichen Anekdoten wie einem Abendessen bei Freunden. Plötzlich erklingt aus der Küche ein Schlag. Ihre Freundin platzt weinend ins Zimmer.
Emcke half der Freundin, beruhigte sie. Aber sie schreibt über diesen Vorfall: „Einfach in das Zimmer zu gehen, in dem der Mann sich verbarg, ihn anzusprechen, die Dinge beim Namen zu nennen, ihn zu konfrontieren – davor hatte ich keine Angst, darauf bin ich nicht gekommen. Das ist mir noch nicht mal eingefallen." Auch hier herrschte das Schweigen.
Dieses Schweigen zu brechen, sieht sie nicht als rein identitätspolitische Agenda an: „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht denke: Kann das mal bitte wer anders erklären?“ Weiße Heterosexuelle dürften Rassismus und Sexismus genauso anprangern wie queere oder migrantische Menschen aus höheren sozialen Schichten die stumme Gewalt der ökonomischen Verhältnissen attackieren können, so Emcke. Und das müsse nicht der altlinken Logik gehorchen, derzufolge erst die Lage der Abgehängten und Prekarisierten gelöst werden müsse: „Sie hierarchisiert den Schmerz.“ So räumt Emcke zum Ende ihrer Lecture Performance mit vielen Zweifeln auf.
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