Wenn es Popcorn gibt, das Licht im Kinosaal ausgeht, dann schauen wir gerne auf diesen Wissenschaftsalltag. Etwa von diesem Archäologen Dr. Jones (gespielt von Harrison Ford). Im spießigen Anzug steht er vor der Tafel und verklickert seinen Studierenden, dass es ausschließlich auf Fakten ankomme. Und die archäologische Arbeit finde sowieso größtenteils in der Bibliothek statt.
Dass er sich in seinen spektakulären Forschungssemestern in Lederjacke und Schlapphut schmeißt, an exotische Orte entlang des Globus reist und nebenbei Nazis verprügelt, das ist selbstverständlich bombastisches Hollywood-Beiwerk. Die Figur des Indiana Jones ist eine der populärsten Wissenschaftler-Typen in der Filmgeschichte. Er vertritt den Typen des forschenden Abenteurers, erklärt Petra Pansegrau vom Interdisziplinären Zentrum für Medienwissenschaft (IZM) in der Universität Bielefeld.
Mit ihrem Team hat sie insgesamt 220 Filme aus dem 20. Jahrhundert nach diesen Stereotypen untersucht. Das Ergebnis: „Es gibt eine handhabbare Anzahl von Typen, die immer wieder auftauchen.“
In der jüngsten Ausgabe der Reihe CineScience vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) präsentierte sie die meistvertretenen Typen anhand ausgewählter Sequenzen. Da gibt es etwa den schrulligen und verpeilten Forscher, der von seiner Arbeit besessen ist, aber seine Brille vergisst oder die Socken verwechselt. Verkörpert wird er etwa von Dr. Emmet Brown (gespielt von Christopher Lloyd) in „Zurück in die Zukunft“. In der berühmten Anfangsszene tüftelt er mit zerzaustem Haar an seinem Zeitexperiment, notiert Berechnungen und befördert seinen Hund „Einstein“ mit einem Sportwagen in die Zukunft. „Er ist vor allem erst mal exzentrisch auf eine sehr positive und nette Weise“, kommentiert Pansegrau. „Medien mögen das.“
AltphilologInnen oder RomanistInnen sind allerdings weniger tauglich für die große Leinwand. Meist sind diese Filmwissenschaftler Helden, die große Rätsel lösen. So wie Indiana Jones. Andere Beispiele wären Sam Neill in „Jurassic Park“ oder Dennis Quaid in „The Day after Tomorrow“, so Pansegrau: „Der Mythos ist ja, dass die etwas Großes entdecken und das hat ja was Abenteuerliches.“
Oft sind diese Protagonisten Naturwissenschaftler und stehen für eine Hybris, wie sie in der Literatur schon seit Marey Shelleys „Frankenstein“ als Phänomen der modernen Wissenschaft reflektiert wird: der skrupellose, positivistische Forscher, der sich über alle moralischen Grenzen hinaus als Schöpfer versteht. Der mad scientist – laut Pansegrau der am meisten verbreitete Stereotyp im Film. Zu sehen an diesem Abend im Kino Glückauf etwa in „DNA – Die Insel des Dr. Moreau" und dem Klassiker „Die Fliege“. Oft werden diese Tüftler Opfer ihrer eigenen Forschung. So wie André Delambre in „Die Fliege“. Solche Horrorstreifen spielen auch mit den Emotionen im Publikum: „Es gibt tatsächlich eine diffuse Angst vor der Wissenschaft, dass sie unkontrollierbar wird oder in die falschen Hände gerät“, verrät Pansegrau das Ergebnis einer Studie.
Was diese Forscherfiguren ebenso prägen, ist eine patriarchale Ideologie. Die wissenschaftlichen Leinwandhelden sind weiß und männlich. Frauen werden meist als brave Assistentinnen vorgeführt. „Ihr Streben beschränkt sich darauf, ihrem Chef zu dienen. Diese Darstellung ist nicht unproblematisch“ , sagt Pansegrau. Und am Ende müssen sie meist auch noch vom Helden gerettet werden.
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