Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Andreas Niederberger erklärt den Status Quo
Foto: Nina Hensch

Where’s the problem?

22. Juni 2018

Vortrag mit Diskussion „Europa nach der Migrationskrise?“ am 20.6. im KWI Essen – Spezial 06/18

Langsam füllt sich der Gartensaal des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI). Die Rollläden sind noch verschlossen und werden erst langsam gelüftet. Licht drängt herein. Volker Heins, Leiter des Forschungsbereichs InterKultur, beginnt mit den Worten: „Hier stehen nicht nur unsere Werte auf dem Spiel…“

Das Projekt „Norms and Values in the Migration and Refugee Crisis (NoVaMigra)“ soll Antworten auf die Frage der EU geben, inwieweit die Flüchtlingskrise zu einer Veränderung der Wahrnehmung der Werte der Flüchtlingspolitik beigetragen hat. Bestehend aus Kooperationspartnern wie der Universität Duisburg-Essen (UDE), dem KWI und acht weiteren europäischen und amerikanischen Universitäten bündelt es Ansätze aus verschiedenen Disziplinen, u.a. der Politologie, den Sozialwissenschaften  und der Rechtswissenschaft.

Der Philosophie-Professor Dr. Andreas Niederberger gibt einen Einblick in das Projekt ‚NoVaMigra‘. „Gemeinsame Werte, auf denen sich die Europäische Union gründet, sind bereits in deren Fundament enthalten. Man muss nicht erst darauf verweisen“, startet Niederberger. Die Rede ist von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und dem Schutz von Minderheiten. Um Mitglied der EU zu werden, musste ein Staat in der Vergangenheit diese Bedingungen erfüllen. Sie sind als eine der drei Kopenhagener Kriterien von 1992 für angehende Beitrittsländer verbindlich festgeschrieben. „Also könnte man zu Recht fragen: Where’s the problem?“, so der 2014 zum Professor ernannte Niederberger provokant.

Die Probleme sind auch nicht neu: schon im Jahr 2000 im Falle der österreichischen Koalition zwischen ÖVP und FPÖ gab es eine Vorläufer-Episode. Damals hatten es die anderen Staaten der EU ein halbes Jahr mit einer Isolationstaktik versucht. 14 EU-Staaten reduzierten bilaterale Beziehungen, da sie befürchteten, fremdenfeindliche und rassistische Aussagen führender FPÖ-Funktionäre würden sich auch in der Regierungspolitik wiederfinden. Die Etablierung eines Weisenrates zur Einschätzung der Lage war ein zweifelhafter Erfolg. „Danach gab es keinen Versuch auf EU-Ebene mehr, ein Land an die europäischen Werte zu erinnern“, so Niederberger.

Im Rahmen von ‚NoVaMigra‘ ließe sich bislang eine grundsätzliche Asymmetrie in Bezug auf den Beitritt osteuropäischer Staaten feststellen. „Sie waren bereit, nahezu alles zu geben, um dazu zu gehören. Denn sie hatten viel zu gewinnen.“ Seine Arbeitshypothese: Die osteuropäischen Länder haben strategisch agiert, waren aber von der Sache nicht überzeugt. Ziel des Projekts ‚NoVaMigra‘ sei es, größere Klarheit zu schaffen, was sich verändert habe, einmal ab 2013 und dann wiederum ab 2015.

Zwei Komponenten haben sich seit 2015 weltweit verschoben. Zum Einen treten nationale Interessen stärker in den Vordergrund und es gibt seitdem ein unterschiedliches Verständnis der Rolle Europas in der Welt, so Niederberger. Hat sich etwas davon auch in der EU abgezeichnet? Der Populismus habe sich verstärkt und Deutschland müsse sich mit der Frage nach der Einwanderungsgesellschaft stärker auseinander setzen, so der Professor für Philosophie. Dass „2015 so gelaufen ist, wie es gelaufen ist“, dazu haben viele Akteure aus Nicht-Regierungsorganisationen und Ehrenamtliche beigetragen, so Niederberger.

Gibt es eine kosmopolitische Perspektive für die EU? Niederberger sagt ja, und führt drei mögliche Bedingungen ins Feld: Dass die EU demokratisch stärker demokratische Verfassung bekommt. Dass es einen rechtlichen Status und Zugang zu Institutionen für Menschen geben muss, deren Menschenrechte in anderen Ländern nicht geachtet werden. Die EU müsse zudem Teil einer legitimen globalen Ordnung sein.

Nina Hensch

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Fotograf Sebastião Salgado – der falsche Friedenspreisträger? Spannende Diskussion in Essen
Fotograf Sebastião Salgados Werk diskutiert in Essen – Kunst 11/19

Helfen oder Hetzen
„Die Mission der Lifeline“ mit Markus Weinberg am 17.6. im endstation.kino – Foyer 06/19

Bindung nach der Flucht
Lesung „Hotel Dellbrück“ von Michael Göring am 12.2. im Medienforum des Bistums Essen – Literatur 02/19

Die Krux mit dem Schoko-Kirsch-Brownie-Tee
Vortrag: „Convenience. Konsumwelt als kleines Gefühl" am 4.12. im Kulturwissenschaftlichen Institut Essen – Spezial 12/18

Identität des Individuums
Filmvorstellung und Diskussion zu „Appuntamento ai Marinai“ am 1.8. im dezentrale in Mülheim – Foyer 08/18

Popcorn, Positivismus, Patriarchat
Filmstudio Glückauf und KWI Essen luden am 12.12. ein zur Diskussion über WissenschaftlerInnen im Film – Foyer 12/17

Boomerang Flüchtlingskrise
Politologin Gesine Schwan spricht im KWI Essen über die europaweite Verteilung von Flüchtlingen – Spezial 11/17

Dorf gegen Despoten
„Dorf in Flammen“ am 3.8. im Bahnhof Langendreer in Bochum – Theater 08/17

Amputation ohne Narkose
Transnationales Ensemble Labsa zeigt am 20.7. bei der „Tomorrow Club-Kiosk-Edition“ in Dortmund den Film „Blackbox Merih“ – Spezial 07/17

Filmische Flüchtlingsgespräche
„Das verlorene Paradies“ am 14.3. im Dietrich-Keuning-Haus – Foyer 03/17

Die Einsamkeit wegtanzen
„Place to be: Shared“ am 5.3. im Theater im Depot, Dortmund – Bühne 03/17

Der Gutmensch als Garant der Zivilisation
Lesart zum Thema Helfen am 14.2. im Essener Grillo-Theater – Literatur 02/17

trailer spezial.

HINWEIS