Wir haben es ja schon immer geahnt: Comedians haben einen an der Waffel. Da kommt die Studie der University of Oxford wie gerufen. 523 Spaßvögel haben an einer Fragebogen-Aktion via Internet teilgenommen, die jetzt im British Journal of Psychiatry veröffentlicht wurde. Herausgekommen ist eine auffällige Ähnlichkeit zwischen Menschen mit bipolaren Störungen und Humorarbeitern. Demnach benötigt Kreativität bei beiden Gruppen vergleichbare geistige Merkmale: Um die Ecke Denken, scheinbar nicht Zusammengehörendes unter einen Hut zu bringen. Anders übrigens als Schauspieler, die ebenfalls befragt wurden und keine schizophrenen Züge aufwiesen.
Professor Gordon Glaridge gibt zwar zu bedenken, dass psychotische Persönlichkeiten zu Humoristen diametral entgegengesetzte Charakteristika aufweisen. Speziell für den Stand-Upper könnte der Job allerdings eine Möglichkeit sein, emotionale Probleme zu bewältigen. Was lernen wir daraus? Man muss schon einigermaßen verpeilt sein, wenn man sich vor eine Meute stellt, um diese zum Lachen zu bringen. Das gilt natürlich auch für andere Berufsbilder. Wer keine Vorstellungskraft besitzt, sollte die Finger besser vom Pinsel lassen und keine Geschichten erzählen wollen, zum Beispiel.
Bereits Hanns Dieter Hüsch hat darauf hingewiesen, dass die Welt „balla balla“ ist und die Menschen auf die hirnrissigsten Ideen kommen, wohlgemerkt zu Zeiten, als es noch keine NSA, kein Dschungelcamp und kein Facebook gab. Man muss wirklich nicht lange suchen, um auf seltsame Zeitgenossen zu treffen. Und ja, die vornehmste Aufgabe des Comedian besteht darin, auf eben diese Absonderlichkeiten hinzuweisen. Hagen Rether ist alles andere als durchgeknallt, sondern einer der erfolgreichsten Kabarettisten deutscher Zunge, einer von denen, die gleichzeitig verstören und aufklären. Nach seiner dreistündigen Performance, die er seit Jahr und Tag unter dem schönen Titel „Liebe“ unter die Menschen bringt, fühlt sich der Zuschauer wie nach einem geistigen Bad im Jungbrunnen – eingeschlafene graue Zellen melden sich wieder zu Wort, man wird mit den eigenen Widersprüchen konfrontiert und fühlt sich hellwach.
Mit sanfter Stimme und nonchalantem Gestus zerlegt er fein säuberlich die von den Medien aufgespießten Aufreger, legt das Gerede von rechter und linker Moral als Großvaterkategorien bloß und dröselt die Wechselwirkung vom politischen Alltag und medialer Vermarktung auf. Zum Vorschein kommt die brachiale Komik des Daseins, über die man sich totlachen könnte, wenn es nicht zum Heulen wäre. Hatte der in Essen lebende Mann noch vor kurzem die Alte Oper in Frankfurt mit ihren 2000 Plätzen bespielt, so gibt es erstaunlicherweise für die Aufführung am 13. März im Bochumer Schauspielhaus noch Eintrittskarten.
Ebenfalls als Bühnen-Berserker bekannt: Thomas Reis,er lässt nichts unversucht sein Publikum („Du musst die Frauen knacken, die Männer werden mitgenommen – so sehen sie auch aus“) mit Hilfe eines verbalen Orkans durch zu rütteln und zu schütteln. „Und SIE erregt mich doch“ heißt das Programm, das er am 8. im Oberhausener Ebertbad und am 21. im Cabaret Queue in Dortmund auf die Bühne bringt. Ein Alphabet der Lust, das sich um die Liebe in ihren diversen Ausformungen dreht, also auch der zwischen Mann und Bier, eine Art Erregungsalmanach, in dem der Kabarettist wohlweislich darauf hinweist, dass Männeraugen anders auf die Liebe blicken als das weibliche Gegenüber.
Zum Beispiel auf das gerne mal schrill gekleidet daherkommende Ruhrgebiets-Gewächs Andrea Badey, die von Hause aus mit einem prachtvollen Organ und unübersehbarer Bühnenpräsenz ausgestattet ist. „Eine Frau geht seinen Weg“, so der Titel ihres Programms, in dem sie am 22. im Cabaret Queue die Welt als Mann aus der Sicht einer Frau erklärt, unter anderem versteht sich. Womit die karge Fastenzeit um einen komödiantischen Rohdiamanten angereichert wäre – meint mit den besten Grüßen Ihre stets über Tage lebende
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