Ziemlich genau 20 Jahre ist es her, dass Lehrer Laux zum ersten Mal eine Bühne betrat. Mit Erfolg. Er machte „Null Fehler“, so der Titel des Programms, mit dem Horst Schroth unter der Regie von Ulrich Waller einen desillusionierten Pädagogen und Alt-68er ins Leben rief. Was ist aus dem Deutsch- und Geschichtslehrer und seiner Frau Marianne (Erdkunde und Biologie) geworden? Ist er immer noch der selbst ernannte Nonkonformist mit dem uncoolen Mitsubishi-Bus? Wer das wissen möchte, begebe sich am 6. in die Stadthalle/Theatersaal in Mülheim an der Ruhr oder am 24. in die Herner Flottmann-Hallen.
Munter weiter geht das RuhrHochDeutsch-Festival im Dortmunder Spiegelzelt, das seit Ende Juni den Sommer bereichert. Einer in der langen Reihe der Groß- und Kleinkünstler ist Jochen Busse, ein Mann, der von einer Schublade in die nächste gepackt wird, weil er in viele passt. Wir nennen ihn hier kurzerhand Kabarettist. Schließlich entwirft er in seinem Solo-Programm „Wie komm ich jetzt da drauf“ am 28. ein satirisches Sittenbild unserer Gesellschaft: ein „Silver-ager“ aus dem Bilderbuch der Menschendämmerung. Selbstironisch, gewitzt und verdammt cool.
Der Trick, mit dem Anny Hartmann die Männer im Publikum ködert, ist so einfach wie wirkungsvoll: über Fußball sprechen. Und zwar richtig fachkundig, angereichert mit dem einen oder anderen Insider-Witz. Das funktioniert perfekt. Aber um es klarzustellen: die Frau ist keine Comedienne, sondern eine lupenreine politische Kabarettistin. Was keineswegs bedeutet, dass es in ihrem Programm „Ist das Politik, oder kann das weg?“, mit dem sie (am 27. im Bocholter TextilWerk) für erheblichen Erkenntnisgewinn sorgt, nichts zu lachen gäbe.
Wohl kaum jemand kann anschaulicher erklären, was es mit den Jüngern des Neoliberalismus auf sich hat, wie man der Nation nach dem Reaktorunglück in Fukushima 2011 und der ein Jahr zuvor beschlossenen Energiewende Sand in die Augen gestreut hat und mit welchem Zynismus Eric Schweitzer, der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, falsche Behauptungen aufstellt, die dem Laien in Sachen Marktwirtschaft plausibel erscheinen müssen. Dabei gelingt es der diplomierten Volkswirtschaftlerin komplizierte Zusammenhänge verständlich aufzudröseln. Erhellend und unterhaltsam.
Eine mit allen Bühnenwassern gewaschene Künstlerin ist dagegen Christine Prayon (am 5. im Bahnhof Langendreer in Bochum). Als „Diplom-Animatöse“ haut die 2012 mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnete Kabarettistin den Zuschauern die Perversitäten des täglichen Lebens um die Ohren, als Korrespondentin Birte Schneider ist sie die ideale Ergänzung von Oliver Welke in der „heute-show“ und als Christine Prayon einfach bewundernswert in ihrer Konsequenz und Intelligenz.
Sie nennt ihr Stück einen „Spiegel der Gesellschaft, der das Leben reflektiert, in dem einem permanent etwas verkauft wird“. Sie mutet dem Publikum einiges zu – keine Innenansichten, sondern eine Imitation der Imitation. Wie zum Beispiel die Lesung aus dem „ersten Band zeitgenössischer Lyrik“. Dabei handelt es sich um den Zyklus „Männer sind primitiv, aber glücklich“ von Mario Barth, der mit den hingehauchten Worten „Pass auf, pass auf, pass auf“ endet! Sehr komisch! Also: nix wie hin – empfiehlt Ihnen aufs Wärmste Ihre stets über Tage lebende
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