Volles Haus in der Lichtburg. Dass die Matinee am Sonntag ausverkauft war, lag wohl nur zum Teil am miesen Wetter und der damit verbundenen Hoffnung auf einen gemütlich-warmen Filmvormittag. Den ein oder anderen trieb es sicherlich auch aus Sehnsucht ins Kino. Sehnsucht nach der See, dem Wind, den Dünen und der Freiheit. Die meisten Besucher jedenfalls waren Nordseegereiste und –begeisterte und daher der Ankündigung in der Zeitung oder der Empfehlung von Bekannten gefolgt, die die DIE NORDSEE VON OBEN schon im Astra gesehen hatten.
Silke Schranz und Christian Wüstenberg, die nach Essen gereist waren, um ihren Film hier nun ein zweites Mal persönlich vorzustellen, versprachen einen „exotischen Heimatfilm“, eine Reise in ein Paradies vor der Haustür. Fremd und geheimnisvoll dank der spektakulären Luftaufnahmen, aufgenommen mit einer ursprünglich zu Spionagezwecken entwickelten Superkamera. Vom Helikopter aus sammelte diese Kamera 40 Stunden faszinierenden Bildmaterials vom Weltnaturerbe Wattenmeer. Einen klitzekleinen Teil davon hatten die beiden Filmemacher 2010 in einer arte-Reportage über die Nordsee zu Gesicht bekommen – und waren hin und weg. Sie nahmen Kontakt zu den verantwortlichen Kameramännern auf, bargen den im Archiv lagernden Filmschatz und fügten die Aufnahmen in einjähriger Arbeit zu einem Langfilm zusammen. Herausgekommen ist eine Reise aus der Vogelperspektive, die in Emden ihren Anfang nimmt und von dort in Richtung Norden über Hamburg bis nach Sylt geht. Man lernt eine einzigartige Natur- und Kulturlandschaft kennen, bereist Küstenstädte, Halligen und Inseln, erfährt Wissenswertes über die Salzwiesen, das Watt und die Deiche. Es gibt kleine Anekdötchen über Land und Leute, Geschichten über herausragende Bauten, Hafenanlagen und die Besonderheiten der Region. Christian Wüstenberg, der aus Otterndorf bei Cuxhaven stammt und damit auch einen Film über seine Heimat gemacht hat, spricht den Kommentar mit betont nordischem Einschlag. Das wirkt gelegentlich zwar etwas bemüht, scheint bei den meisten Zuschauern aber gut anzukommen.
Wenn er und Silke Schranz ihren Film mit viel Verve ankündigen, im Anschluss geduldig Fragen beantworten und im Anschluss am eigenen Infostand noch für Gespräche zur Verfügung stehen und die Werbetrommel für ihre Filmprojekte rühren, dann kann man ihnen wahrlich keine Koketterie vorwerfen, wenn sie betonen, alles in Eigenregie zu betreuen – von der Produktion und dem Vertrieb über die Pressearbeit bis hin zur Beantwortung von Fragen auf ihrer Internetseite. Das hört sich an und sieht aus wie wahre Leidenschaft, Sponsoren- und werbefrei und getragen von der Begeisterung für die Natur.
Mit DIE NORDSEE VON OBEN, nach PORTUGALS ALGARVE. AUF EIGENE FAUST und NEUSEELAND. AUF EIGENE FAUST bereits die dritte eigenproduzierte Reisedokumentation (comfilm.de), wollen die beiden Filmemacher nicht nur einen faszinierenden Blick auf die Schönheiten der Nordseeküste werfen, sondern zugleich für den Natur- und Umweltschutz sensibilisieren.
Mitten im Weltnaturerbe Wattenmeer steht seit 1986 die Öl-Insel Mittelpate von RWE Dea. Entgegen der Nationalpark-Bestimmungen plant der Energiekonzern in den nächsten Jahren eine Ausweitung der Ölbohrungen.
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