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Ulrich Greb
Foto (Ausschnitt): Jörg Parsick-Mathieu

„Das Publikum braucht keine Wanderschuhe“

29. August 2024

Intendant Ulrich Greb inszeniert „Ein Sommernachtstraum“ am Schlosstheater Moers – Premiere 09/24

Im Interview spricht Intendant Ulrich Greb über seine raumgreifende Inszenierung von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ am Schlosstheater Moers, die den Bühnenraum und den Schlosspark bespielt. 

trailer: Herr Greb, das Theater Moers startet mit dem „Sommernachtstraum“ von Shakespeare. Divers ist das Stück nicht – und mit dem Elfenkönig Oberon kommt sogar ein ziemlicher Macho vor.

Ulrich Greb: Diversität haben wir auf eine ganz andere Weise. Zum ersten Mal spielen unser Ensemble und das Junge Ensemble des Schlosstheaters in einer Aufführung zusammen. Eine Gruppe von jungen Menschen, die teilweise schon Jahre in verschiedenen Jugendprojekten des Jungen STM dabei sind. Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, diese unterschiedlichen Kräfte und Energien im „Sommernachtstraum“ zusammen zu bringen. Und das in einer buchstäblich raumgreifenden Inszenierung: Wir spielen im Schloss und im Schlosspark.

Götter gegen Menschen – das geht ja eigentlich nie gut aus, oder?

Shakespeare greift hier auf die altenglische Mythologie der Elfen zurück, die mit der Welt der Menschen kollidieren. Und wie immer spiegeln sich die Strukturen und Hierarchien der verschiedenen Welten bei ihm. Das Motiv der Spiegelungen greifen wir auf und verstärken es durch Doppelbesetzungen und bis ins Kostümbild und Raumkonzept von Birgit Angele hinein. Der Text ist so vielschichtig und mehrdimensional, dass jeder Ansatz, mit dem man Shakespeare zu Leibe rückt, immer auch ein bisschen an der Sache vorbeigeht. Der „Sommernachtstraum“ ist nicht in ein logisch stimmiges Konzept zu fassen. Hier liegt aber auch die Faszination und der Zauber des Stücks, dass gesellschaftliche Ordnungen und Konventionen eben nicht unsere gesamte Natur erfassen. Es gibt da etwas, worauf wir keinen Zugriff haben, das sich unserer Kontrolle entzieht. Nur einen Schritt aus dem „Bewusstseinszimmer“ heraus finden wir uns in den Worten Nietzsches „gleichsam auf dem Rücken eines Tigers in Träumen hängend.“

Im Elisabethanischen Zeitalter war die Selbstpräsentation etwas für die Mächtigen. Das hat sich im Zeitalter des Internets stark verändert, oder?

Die Selbstpräsentation ist flächendeckend und zum zentralen Faktor der Selbstvermarktung geworden. Bei der Frage, wer vom wem wie gesehen wird, greifen wir auf eines der ältesten Theatermittel zurück: den Spiegel. Der Bühnenraum ist verspiegelt und draußen im Schlosspark sind auch Spiegel aufgestellt. Da werden die Natur, die Figuren und auch das Publikum gedoppelt. Denn bei Shakespeare gibt es keine vierte Wand und die gibt es auch bei uns nicht.

Wenn das Stück drinnen und draußen spielt, muss das Publikum dann mitlaufen?

Mitläufer und Nachläufer, denn das ist ein weiteres Motiv der Inszenierung. Die Figuren und die Probleme, die sie transportieren, finden oft im Laufschritt statt. Da der Schlosspark zu allen Seiten offen ist, können sich die Figuren den Konflikten weiträumig entziehen. Wer sein Thema durchsetzen will, ist gezwungen hinterherzurennen. Die Inszenierung hat – besonders was die Liebespaare betrifft – eine gewisse Atemlosigkeit bis zur Erschöpfung, weil hunderte von Metern von den Schauspieler:innen zurückgelegt werden. Wie in einem großen Rennen – und niemand weiß, wer am Ende ankommen wird. Das Publikum nimmt unmittelbar daran teil, braucht aber keine Wanderschuhe.

Warum hat Shakespeare wohl dieses Theaterstück in sein Stück eingebaut?

Der für mich schönste Grund ist, dass er damit das eigene Genre mit seinen Eitelkeiten und Manierismen der Theaterwelt selbstironisch aufs Korn nimmt. Ein von Shakespeare häufig angewandtes Theatermittel, die großen Themen des Stückes im Kleinen wie in einer Schuhschachtel zu wiederholen. Auch im Theater dreht sich alles um die Frage, welche Rolle spielt man, wer ist wie repräsentiert und wer möchte man sein. Das wird in den Handwerkerszenen hochkomisch durchexerziert. Aber wie das so ist mit der Komik: Es ist nur komisch, wenn es einem wehtut. Und es lachen immer die anderen. Wir nehmen das sehr ernst und entdecken in diesen kleinen Theaterszenen natürlich auch alle Empfindlichkeiten unseres heutigen Theaterdiskurses und werden das lustvoll dekonstruieren. 

Mythologie und Zauberei hat die Welt ja eigentlich verlassen. Kann es sein, dass die KI das wieder zurückbringt?

Ich weiß nicht, ob man der KI so viel zutrauen sollte. Jedenfalls scheint die Reduzierung der Welt auf Nullen und Einsen bei vielen große Verunsicherungen und Ängste hervorzurufen, dass man Grenzen und Schachteln baut, um Orientierung zu finden und sich wieder in Stammesdenken zurückträumt, um diese Chance, aber auch das Risiko unserer globalisierten Welt in Schach zu halten. 

Ein Sommernachtstraum | 7. (P), 8., 11., 14., 15., 27., 28.9. | Schlosstheater Moers | 02841 883 41 10

Interview: Peter Ortmann

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