Es war einmal. Auf einem Flugplatz. Damals begann die Liaison zwischen der Karrierefrau und dem Auserwählten. Jetzt wird geheiratet. Vier Frauen prallen also in einem winzigen Hotelzimmer zusammen. Träumen von der Hochzeit, verzweifeln an ihren Beziehungen. Die eine will sich scheiden lassen, die andere endlich wenigstens verlobt werden, die dritte will sich emanzipieren und die, um die es eigentlich geht, ja die liegt im Badezimmer und kotzt. So etwa stellen sich die meisten der Besucher im Essener Theater im Rathaus wohl den schönsten Tag im Leben vor, denn schon zu Beginn des brachialen Lust-Dramas „Höchste Zeit“ um Sekt oder Champagner, um den Schlagerstar eine Etage tiefer oder die Qual der passenden Kleidung gibt’s erst einmal ein Lied: „The Shoop Shoop Song“, die meisten kennen sich die Version von Cher. Der knackige umgedeutschte Text passt ins schrille Bild, die vier Knallerfrauen geben auf der Bühne alles, ein schöner Einstieg in ein Musical, dessen erster Teil „Heiße Zeiten“ bereits für Furore sorgte. Wieder keine Männer auf der Bühne, wieder vermisst sie niemand. Das Publikum wippt mit.
Der Plot ist naturgemäß etwas schlicht, die Musik dagegen aufregend, wenn sie auch vom Band kommt, gesungen wird live. Und wie! Es ist ein Ritt durch die Hits der letzten Jahrzehnte: „Yes Sir, I Can Boogie“. Doch dabei bleibt es nicht. Franziska Becker rockt sich zum Altar. Die meiste Zeit noch ohne Kleid, aber lasziv mit Kater und Selbstzweifeln. Selbst ihr Bräutigam ist abhanden gekommen. Wo er doch bereits im Badezimmer sein sollte. Alkoholvernebelte Ahnungen über einen gewissen Howie tauchen auf, doch auch die Brautjungfern haben es nicht leicht, ihr Liebesleben ist ebenfalls von dunklen Wolken verhüllt. Gibt es den perfekten Partner eigentlich? Genau die richtige Frage für einen Hochzeitstermin. Nur die Vornehme versucht lange Zeit die Festivität zu hintertreiben, verpasst aber den eigenen Scheidungstermin. Wie das Chaos letztendlich beherrscht wird und wie das alles ausgeht, wird natürlich nicht verraten. Nur so viel: Sitzen wird am Ende im Theater niemand mehr.
„Höchste Zeit!“ | 6.-13.10. | Theater im Rathaus, Essen | 0201 245 55 55
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