Tiere sind hart im Nehmen: Als die Ginsterkatze (Marlena Keil) den Verband von ihrem Zeh abnimmt, geht der Nagel mit. Der Nacken des Marabus (Frank Genser) ist vereitert, weil er ständig seine Federn anklebt und wieder entfernt. Es sind selbstverständlich die Darsteller, die die diese Tortur über sich ergehen lassen. Seit sechs Jahren hampeln sie in der Show über den Kampf von Zebra (Ekkehard Freye) und Löwe (Christian Freund) um die Vorherrschaft im Tierreich herum – und klagen gegenseitig zwischen Schminktischen und einem Gerüst vor einem orangefarben ausgeleuchteten Rundhorizont (Bühne: Oliver Helf) über ihr Leid. Ein Leid, über das sich Regisseur Thorsten Bihegue am Dortmunder Schauspiel trotz aller Komik nicht lustig macht. Die flagrante Selbstausbeutung der Antilopen-Darstellerin (Alexandra Sinelnikova), die im Rekordtempo ein Kind zur Welt gebracht und wieder auf die Bühne zurückgekehrt ist, ist nämlich nur Aspekt. Im wilden Brüllen, Wiehern, Schnurren oder Krächzen, aber auch den hinreißenden Kostümen von Theresa Mielich offenbart sich eine Schamlosigkeit des Lächerlichen, eine Entblößung der Darsteller, die an tiefe Traurigkeit grenzen.
Roland Schimmelpfennigs dramatische Petitesse „Das Reich der Tiere“ gehört sicherlich nicht zu Meisterstücken des Autors. Von individuellen Schicksalen braucht man hier nicht zu reden, die soziale Schärfe ist die eines stumpfem Messers und die Dramaturgie alles andere als zwingend. Nichtsdestotrotz gelingt es der Dortmunder Inszenierung, ein zumindest kleines Feuerwerk zu entfachen, das eher auf Komik als traurige Fallhöhe setzt. Angetrieben von den beiden Musikern Serge Corteyn und Manuel Loos rasen die sechs DarstellerInnen durch den Textparcours in ständigem Wechsel zwischen Tiershow und Selbstbespiegelung, Opportunismus und brüchiger Selbstbehauptung. Die Regisseurin (Bettina Lieder im zappelnd-lasziven Selbstunternehmerinnen-Modus) setzt dann das neue Stück „Im Garten der Dinge“ mit den Rollen von Ketchupflasche, Toastbrot, Spiegelei und Pfeffermühle auf den Spielplan, das in einer Art Schwarzweiß-Stilisierung noch lächerlicher als die Tiershow daherkommt. Neunzig Minuten kurzweilige Unterhaltung mit Spiegelei, Toast und Tier – was will man mehr.
„Das Reich der Tiere“ | R: Thorsten Bihegue | 4., 7., 11.12. 19.30 Uhr | Theater Dortmund | 0231 502 72 22
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