Wer hätte gedacht, dass ihm ausgerechnet diese deutschen Groupies „from Kassel“ am Ende noch die Show stehlen würden – und das an seinem 77. Geburtstag. Den nämlich hat sich Nermina Kukic für die Premiere ihrer Hommage an Dennis Hopper ausgesucht. Gemeinsam mit Musiker Ingmar Kurenbach bringt sie eine frei assoziierte Collage auf die Bühne, in der neben dem exzentrischen, vor drei Jahren verstorbenen Schauspieler auch einige andere schillernde Gestalten der späten 1960er auftauchen: Hells-Angels-Gründungsmitglied Sonny Barger etwa und eben jene Groupies „from Kassel“, die Zwillingsschwestern Jutta Winkelmann und Gisela Getty. Letztere hatte Anfang der 1970er eine kurze Affäre mit Hopper, als der sich gerade vorzugsweise von Whisky und Kokain ernährte. Nachzulesen ist diese Episode neben anderen illustren 68er-Anekdötchen in der 2008 erschienenen Autobiografie der Schwestern. Nermina Kukic bezieht daraus die stärksten und absurd-witzigsten Szenen ihrer Zwei-Personen-Performance. Und ihr gelingt damit ein absolut wirkungsvolles Finale. Insgesamt allerdings gelingt es ihr, dem schauspielernden Musiker Kurenbach und Regisseur Hans Dreher nicht, die Spannung über knapp 100 Minuten Aufführungsdauer zu halten. Kukic, die den Abend konzipiert hat, überschätzt schlicht Wirkung und Witz der coolen Pose, für die „Easy Rider“ Hopper als Vorreiter von New Hollywood und späterer Spezialist für durchgeknallte Killer bekannt war. So folgt auf einen amüsanten Auftakt ein Mittelteil mit Durchhänger.
Kukic‘ Botschaft ist indes klar und treffend: Nüchtern und drogenfrei betrachtet waren viele der bis heute gefeierten Freiheitsikonen der 68er reichlich schlichte Gemüter – oder, wie im Fall von Hells-Angel Barger sogar reichlich gefährliche Schwachköpfe. Die naive Bewunderung für die Coolness der vermeintlich freien Outlaws erscheint aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbar. Und wer hinter die coole Easy-Rider-Fassade ihrer Hollywood-Ikonen blickte, fand kaputte Typen – wie den alkohol- und drogensüchtigen Hopper, dessen kürzeste von insgesamt fünf Ehen gerade einmal acht Tage hielt. Hopper hat damals übrigens noch einmal die Kurve gekriegt. Im Stück spielt das keine große Rolle. Als streng biografisches Portrait ist „Hopper“ nicht gemeint.
„Hopper“ I Fr 28.6. 20 Uhr I Rotunde, Bochum I 0163 761 50 71
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