Die Trompeten schossen ihre scharfen Signale von den kleinen Balkonen im Audimax in Bochum. Fünf Chöre waren aufgestellt, die Bochumer Symphoniker waren aufgerüstet, vier internationale Gesangsstars standen bereit, die Noten zu Verdis „Messa da Requiem“ lagen auf den Pulten. Es war ein „Konzert spezial“ in der Karnevalszeit der Saison 1994/95. Chef über diese Heerscharen an Musikern war an diesem Tag der frisch gebackene GMD Steven Sloane, damals mit wallender Künstlermähne, blitzenden Augen und einem strahlenden Lächeln. Dirigieren konnte er auch noch. Schon die Proben waren trotz organisatorischer Tücken und krankheitsbedingter Umbesetzungen straff absolviert worden. Sloane überzeugte als realistischer Pragmatiker wie als charismatischer Künstler. Und mancher Beobachter dachte bei sich: „Der wird nicht alt im kleinen Bochum!“ Jetzt feiert Steven Sloane sein 20. Ruhrpott-Jubiläum.
Diese zwei Jahrzehnte waren kein reines Zuckerschlecken für den amerikanischen Maestro, der in Kalifornien studierte und bereits mit 23 nach Israel übersiedelte. Bevor er den Weg nach Bochum fand, war er gleichzeitig ständiger Dirigent der New York City Opera und der New Israel Opera in Tel Aviv, dazu Erster Kapellmeister an der Oper Frankfurt. Daran lässt sich ablesen, dass der Wechsel zum einzigen rein sinfonisch engagierten Orchester des Ruhrgebiets nicht unbedingt die Traumvariante für die Karriere des opernverliebten Dirigenten war.
Dazu traten die seit Jahrzehnten schwelenden Querelen um das Haus für die BoSys, wie eine Werbeagentur die Akteure des Orchesters publikumsnah taufte. Die Idee, sich im aktuell geplanten und im kommenden Frühjahr einzuweihenden Musikzentrum mit der Musikschule zu verquicken, kann in der Stadt des Verwaltungssitzes des pädagogischen Programms „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi) kein Fehler sein. Und eine Konzerthalle, aber kein neuerliches Konzerthaus mit internationalem Spielbetrieb zu errichten, ist ebenfalls ein kluger Gedanke. Berechtigte Bedenken formulierte ein Bürgerbegehren über die zu erwartenden Kosten, denn solche Projekte werden immer professionell schöngerechnet. Aber es ist über Zu- und Absagen für Konzertsäle auch schon mancher Maestro abhanden gekommen – man blicke nach Dresden, wo just der neue Saal für die Philharmoniker vollendet wird – mit neuem GMD.
Sloanes fehlende Berührungsängste zu Populärem und seine internationalen Kontakte haben dem Orchester geholfen, u.a. eine Sting-Tournee mitzufeiern, aber auch in Amerika und Israel zu konzertieren. Mehrfach wurden die Programme des Dirigenten mit Preisen belobigt. Am 26. und 27. September wird das Gastspiel bei der Ruhrtriennale mit „Surrogate Cities“ von Heiner Goebels wiederholt. Eine eigene Konzertreihe zum Dienstjubiläum (u.a. mit „La Bohème“) feiert den weltläufigen Dirigenten, der bereits im Mai eigenhändig den Grundstein zum Musikzentrum legen durfte. Dessen Fertigstellung und Einweihung wäre natürlich das größte Geschenk.
XX – Zeichen setzen | www.bochumer-symphoniker.de/xx-zeichen-setzen
„Surrogate Cities Ruhr“| Fr 26.9., Sa 27.9.19.30 Uhr | Kraftzentrale, Landschaftspark Duisburg Nord | www.ruhrtriennale.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Prominente Solistin
Sabine Meyer gastiert bei den BoSys – Klassik an der Ruhr 05/18
Die Trommel ruft
Bochum eröffnet die Spielzeit mit Pauken und Becken – Klassik an der Ruhr 01/18
Lustvoll um die Welt
Bochumer Symphoniker im Musikforum Ruhr mit den „Acht Jahreszeiten“ – Musik 11/17
Jazz, Hochkultur und singende Sägen
Am letzten Oktober-Wochenende eröffnete das Anneliese Brost-Musikforums Ruhr in Bochum – Musik 10/16
Walpurgisnacht in Bochum
Der Philharmonische Chor lässt Gläser klingen – Klassik an der Ruhr 04/15
„Höher, besser, schöner"
Pianistischer Staffellauf in Bochum – Klassik an der Ruhr 03/15
„Wir müssen die Nähe zur Musik schaffen“
Das Musikzentrum Bochum feiert Richtfest - Musik 11/14
Ein Dach über dem Kopf der Symphoniker
Das Musikzentrum Bochum feiert Richtfest
Friedenslieder zum Jahresende
„Silvesterkonzert – Bernstein & Gershwin“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 12/24
Originelle Qualität
„Weihnachten mit Daniel Hope“ in der Philharmonie Essen – Klassik an der Ruhr 12/24
Sinfonische Vollender
Gil Shaham in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/24
Aus Alt mach Alt
Tage Alter Musik in Herne 2024 – Klassik an der Ruhr 11/24
Weiblicher Beethoven
Emilie Mayers 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 10/24
Ein Himmel voller Orgeln
Zwei Orgelfestivals in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/24
Mit virtuoser Blockflötistin
33. Festival Alte Musik Knechtsteden in Dormagen und Köln – Klassik an der Ruhr 09/24
Nach François-Xavier Roth
Der Abgang des Kölner GMDs sorgt für Umbesetzungen – Klassik am Rhein 09/24
Barock und Filmmusik
Open-Air-Konzerte „Viva Italia!“ im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 08/24
Exotische Musik
„Sounds of Nature“ und „Diálogos de amor“ beim Niederrhein Musikfestival 2024 – Klassik am Rhein 08/24
Akademische Bürgernähe
Michael Ostrzyga dirigiert „Elias“ in Bergheim und Köln – Klassik am Rhein 07/24
Pop-Hit trifft düstere Rarität
Semesterkonzert an der RUB – Klassik an der Ruhr 07/24
Bruckners „verfluchte“ Neunte
„Von Herzen – Letzte Werke“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 06/24
Mit Hochdruck bei der Arbeit
Die Orgelfeierstunden im Kölner Dom – Klassik am Rhein 06/24
Träume aus alten Zeiten
Zamus: Early Music Festival 2024 in Köln – Klassik am Rhein 05/24
Ungewünscht brandaktuell
Auftakt zum Klangvokal Festival Dortmund 2024 – Klassik an der Ruhr 05/24
Wiederentdeckt
Werke von Amerikas erster schwarzer Klassikerin in Essen – Klassik an der Ruhr 04/24