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Cordula Hohgräfe und Manuela Salem koordinieren die Familienpatenschaften im Nachbarschaftsheim
Foto: Manuela Salem

Einander Zeit schenken

28. Mai 2024

Teil 3: Lokale Initiativen – Das Nachbarschaftsheim Wuppertal

Hanna Jordan, die gemeinsam mit ihrer jüdischen Mutter in den Niederlanden untergetaucht war, kehrte nach Kriegsende in ihre Heimatstadt Wuppertal zurück und wurde dort mit Zerstörung, Lebensmittelknappheit und Wohnungsnot konfrontiert. Besonders drastisch war das Leid im Bunker am Platz der Republik, in dem viele Menschen auf engem Raum verharren mussten. Um dieser Not entgegenzuwirken, gründete Jordan am 7. Juli 1948 mit der Hilfe von schwedischen und amerikanischen Quäkern den Verein Nachbarschaftsheim Wuppertal. Das Gebäude war anfangs eine Baracke, wo Hilfspakete verteilt und Kleiderstücke genäht wurden. Es war auch ein Haus der Begegnung, hier wurden Kinder betreut, man musizierte gemeinsam und Ferienangebote versprachen etwas Ablenkung.

Ein Gewinn für alle

Mit 70 haupt- und mehr als 200 ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen leistet das Nachbarschaftsheim auch heute einen großen Beitrag für das Zusammenleben in Wuppertal. Seit 2002 organisiert der Verein zudem Projekte zum ehrenamtlichen Engagement. Nach Gesprächen mit dem Wuppertaler Jugendamt im Jahr 2007 entstanden so die Familienpatenschaften, die vom Jugendamt finanziert und beauftragt werden. Familien in schwierigen Lebenslagen können sich über das Nachbarschaftsheim Unterstützung suchen, freiwillige Helfer:innen entlasten bei Herausforderungen und bieten einen wöchentlichen Besuchskontakt. Für jede der 50 bis 60 Patenschaften steht eine hauptamtliche Ansprechperson zur Verfügung.

Einer dieser Ansprechpersonen ist Manuela Salem, die den Fachbereich Ehrenamt leitet. Die Ehrenamtlichen können die Schwerpunkte der Patenschaft in ausführlichen Erstgesprächen selbst festlegen, erklärt sie. Dass die Initiative nicht nur den Familien dient, die Unterstützung brauchen, sondern auch den Helfer:innen, ist Salem besonders wichtig: „Diese Menschen schenken Zeit, der Optimalfall ist eine Win-Win-Situation für beide.“ Für die Kinder in den unterstützten Familien können die Pat:innen Weichen fürs Leben stellen. Die Patenschaften sind nicht befristet und bestehen teilweise schon mehr als zehn Jahre.

Vertrauensvolle Beziehung 

Die Gründe für eine Patenschaft können von Familie zu Familie unterschiedlich sein, sagt Salem. Vielleicht fühlt sich ein Elternteil nach der Scheidung überfordert oder eine Mehrfachgeburt oder eine Erkrankung des Kindes bringen ungeahnte Herausforderungen mit sich. „Letztendlich stehen die Kinder im Mittelpunkt“, so Salem. Baby-Patenschaften können sogar schon während der Schwangerschaft beginnen. Auch bei Behördengängen oder sprachlichen Problemen hilft das Nachbarschaftsheim. Seit 2015 beschäftigt sich die Initiative zudem mit unbegleiteten geflüchteten Jugendlichen, die getrennt von ihren Familien in Wohngemeinschaften leben. Zusätzlich zu den Familienpatenschaften wurde das Projekt der Wunschverwandten entwickelt. Hierbei stehen weniger ein konkretes Problem oder eine Krise im Fokus als vielmehr der Wunsch nach vertrauensvollen Beziehungen zwischen den Generationen.

Die Zusammenarbeit von Wuppertaler Jugendamt und Nachbarschaftsheim ist nicht selbstverständlich. „Es ist großartig, dass die lokale Engagementbereitschaft zugunsten der Kinder- und Jugendhilfe genutzt wird“, sagt Salem. „Hier hat unser Jugendamt bundesweit Vorbildfunktion!“ Dies bedeute allerdings auch, sich nicht auf die Unterstützung selbstloser Helfer:innen zu verlassen, sondern eine hauptamtliche Organisation zu ermöglichen: „Ehrenamt ist nicht kostenlos“, betont Salem. 

Tim Weber

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