Der Glanz der Unsichtbaren
Frankreich 2018, Laufzeit: 102 Min., FSK 6
Regie: Louis-Julien Petit
Darsteller: Audrey Lamy, Corinne Masiero, Noémie Lvovsky
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Dokumentarisch eingefärbte Sozialkomödie
Eine Frage der Würde
„Der Glanz der Unsichtbaren“ von Louis-Julien Petit
Edith Piaf nennen sich die Frauen, Brigitte Macron, Lady Di. Namen, die sie bewundern, die den Kampf auf der Straße etwas leichter machen. Jeden Morgen kommen sie alle ins L’Envol, ein Tageszentrum für obdachlose Frauen, zu den Sozialarbeiterinnen Manu (Corinne Masierio), Audrey (Audrey Lamy), Hélène (Noémie Lvovsky) und Angélique (Déborah Lukumuena). Man kennt und mag sich hier. Aber Perspektivlosigkeit drückt, die Mittel sind klein und die Beschränkungen groß. Als die Politik versagt, das L’envol schließen muss und auch noch ein Zeltcamp am Sportplatz geräumt wird, rüsten die frustrierten Betreuerinnen auf Selbsthilfe um. Sie beginnen die Frauen zu schulen, bringen sie illegal in einem leerstehenden Haus unter, erschummeln Bewerbungsgespräche und hübschen skrupellos Lebensläufe auf. Hart am Rand des Systems entsteht so in allen Beteiligten ein ganz neues Ziel- und Selbstbewusstsein. Und tatsächlich so was wie Hoffnung.
Mit über einer Million Besucher in Frankreich ist die herbe Sozialkomödie „Der Glanz der Unsichtbaren“ von Louis-Julien Petit („Discount“) ein Überraschungserfolg. Und doch nicht unerwartet. Es sind schwierige Zeiten in Frankreich und die Zeit reif für einen Film, der die Masse der gesellschaftlich Abgehängten aus den Schatten holt. Seit 2014 feilte Petit an einem Drama basierend auf Claire Lajeunies Dokumentation „Femmes invisibles: survivre dans la rue“. 2016 verwarf er das Konzept und wählte die Form der Komödie, inspiriert von britischen Vorbildern wie Cattaneos „Ganz oder gar nicht“ oder Frears‘ „Mein wunderbarer Waschsalon“. Gerade wenn man erfährt, dass 40 Prozent der französischen Wohnungslosen weiblich sind, ist das plausibel. Nur mit Humor lässt sich das Elend überhaupt ertragen.
Den Blick, den man vor ihnen auf der Straße senkt, lenkt die Kamera ins Gesicht dieser Frauen. Während Schauspielerinnen die vier Sozialarbeiterinnen und zwei der Obdachlosen darstellen, werden alle anderen Rollen von Laien gespielt, die die Wohnungslosigkeit selbst kennengelernt haben. Petit drehte chronologisch und mit viel Improvisation. So kann man quasi zusehen, wie die Figuren zu einer Einheit zusammenwachsen.
Furcht und Würde stehen nebeneinander, wenn bei der Campräumung eine der Frauen den Polizisten (und dem Zuschauer) still den Blick in ihr schäbiges Zelt verweigert. Humor steckt in fast allem, etwa wenn eine beim Jobinterview wichtig findet zu erzählen, wie sie wegen Mordes an ihrem Mann im Knast landete, während eine andere draußen vor der Tür ihr Hab und Gut in Plastiktüten bewachen muss. An der Leuchtkraft der Frauen, an ihrer Authentizität führt kein Weg vorbei. Auf Dauer zeigt sich Petit dann leider selbst verstrahlt, werden ihm seine Heldinnen wichtiger als die Story, die in einen idealisierten Triumphmarsch der Unsichtbaren ausufert. Zu viel Utopie für einen Film, der vorher die Wirklichkeit so lange so fein im Blick hatte.
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