Kleine Wunder in Athen
Griechenland, Deutschland 2009, Laufzeit: 103 Min., FSK 0
Regie: Filippos Tsitos
Darsteller: Antonis Kafetzopoulos, Anastas Kozdine, Titika Saringouli
Ein patriotischer, griechischer Nichtsnutz muss sich erschreckenden Erkenntnissen stellen: Fließt in ihm albanisches Blut? Stavros, ein griesgrämiger Grieche, der seiner Exfrau hinterhertrauert, hütet tagsüber seinen schlecht laufenden Kiosk. Mit seinen drei Kumpels frönt er dem Nichtstun und dem Patriotismus, der sich vor allem gegen Albaner richtet. Eines Tages taucht Marengelen auf, der vorgibt, Stavros Bruder zu sein. Die Nachricht entlockt selbst seiner dementen Mutter neue Lebensgeister. Das Problem: Marengelen ist Albaner, und die Mutter beginnt, sich ihrer albanischen Wurzeln zu besinnen. Düstere Vorahnungen bemächtigen sich des stolzen Griechen, der eigentlich gerade damit beschäftigt ist, städtische Pläne für ein Denkmal für interkulturelle Solidarität zu vereiteln. Regisseur Filippos Tsitos hat sich mit der Thematisierung von Rassismus nicht unbedingt ein ausgefallenes Thema vorgenommen. Auch wenn man weiß, dass sich der Rassismus in Griechenland quer durch die Bevölkerung zieht und dabei kaum problematisiert wird – grundlegend neue Erkenntnisse liefert „Kleine Wunder in Athen“ nicht. Und trotzdem ist die politische Komödie äußerst gelungen. Tsitos schnitzt seine skurrilen Charaktere zwar grob, lässt dann aber in den Details Feinheiten erkennen, die ihr Handeln erklären. Stilistisch bewegt er sich dabei zwischen Jim Jarmusch, dem frühen Fatih Akin und Rainer Werner Fassbinders „Katzelmacher“. Bei Tsitos regiert ein lakonischer Tonfall und nicht das Drama, wie man es vielleicht beim Rassismus vermuten würde. Gerade dadurch nähert sich der Film dem Thema aber nicht auf einer abstrakt politischen, sondern sehr konkreten Alltagsebene. Die Kumpels vor dem Kino sind zwar nicht wahnsinnig sympathisch, sie sind aber auch keine expliziten Unsympathen. Sie zeigen erst nach und nach ihre Ressentiments. Und auch wenn sie ihre Stühle auf die andere Straßenseite rücken, weil sie nicht neben einem Albaner sitzen wollen, wirkt das immer noch eher kumpelhaft als drastisch ausländerfeindlich. Und doch trifft dieser Rassismus unter einstigen Freunden viel mehr die faktische Irrationalität von Rassismus, als wenn die Angst vor einem Fremden geschildert würde. Der trockene Humor des Films tut sein Übriges, um den Zuschauer in permanenter Verunsicherung zu halten. Ein Gefühl, das in der emotionalen Achterbahn der Hauptfigur seine Entsprechung findet. Nur, dass diese ständig darum bemüht ist, den coolen Schein aufrecht zu erhalten. Der in Deutschland lebende Regisseur hat bereits mit seinem Abschlussfilm „My Sweet Home“ mit Nadja Uhl 2001 das Thema Heimat und Zugehörigkeit thematisiert. In seinem zweiten Kinofilm hat Tsitos, der vor allem für das Fernsehen („Tatort“) arbeitet, die allgemeine Fragestellung ganz konkret auf die bedenklichen Entwicklungen in seinem Heimatland fokussiert, ohne seinen lockeren Inszenierungsstil zu verlieren. Filippos Tsitos ist eine wundervoll skurrile Komödie über eine Handvoll Kiosk-Patrioten gelungen, die mit schrulliger Ironie und gelungenem Cast Vorurteile und falschen Stolz gegen die Wand fährt.
(Hartmut Ernst/Christian Meyer)
Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Ruhrgebietsfilmgeschichte erleben
„Glückauf – Film ab!“ im Essener Ruhr Museum
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Filmfestivalmonat November
Mit der Duisburger Filmwoche, Doxs! und dem Blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets – Vorspann 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24
Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24
Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Lichtspiele mit Charme
Eröffnung der Ausstellung „Glückauf – Film ab!“ im Ruhr-Museum – Foyer 07/24
„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
„Wir erlebten ein Laboratorium für ein anderes Miteinander“
Carmen Eckhardt über „Lützerath – Gemeinsam für ein gutes Leben“ – Portrait 05/24
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund
Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24
Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Kölner Filmpalast – Foyer 04/24