Lornas Schweigen
B/F/I/D 2008, Laufzeit: 105 Min., FSK 12
Regie: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne
Darsteller: Jérémie Renier, Arta Dobroshi, Fabrizio Rongione
Wenn das Leben zur Sackgasse wird
Unser (26), 11.10.2008
Wenn wir Lorna begegnen, ergeht es uns wie dem Belgier Claudi, mit dem sie eine Scheinehe zwecks Erlangung der belgischen Staatsbürgerschaft führt; wir suchen ihre Nähe und sie wird zu uns zu einem Hoffnungsanker. Die tatkräftige und intelligente Lorna scheint dies zu spüren und schirmt sich gegen den Zuschauer wie gegen den fordernden Junkie Claudi ab, indem sie die Form und damit Abstand wahrt. In einer kleinen Szene zu Beginn des Films überprüft und korrigiert sie ihr Aussehen vor dem Badezimmerspiegel obwohl sie in dieser Nacht nur noch dem verwahrlosten Claudi begegnen wird, bevor sie sich im verschlossenen Schlafzimmer schlafen legt. Lorna scheint nur dort verletzlich, wo sie ihrem Verlobten Sokol begegnet ? in diesen Szenen haben wir das Gefühl etwas von ihr zu sehen, das sie nicht preisgeben wollen würde. Das gilt auch auf einer ganz äußerlichen Ebene, denn um ihre Scheinehe mit Claudi nicht zu desavouieren muss sie diese (Fern-)Beziehung (Sokol arbeitet 1000km entfernt in Deutschland) vor den Behörden geheim halten.
Lornas Unheil beginnt, als ihre Rolle als Rettungsanker für den verliebten Claudi zu funktionieren beginnt und dieser sich von seiner Drogensucht lösen kann. Zunächst unwillentlich und dann doch unter erheblicher Beteiligung (einmal schläft sie aus Verzweiflung mit Claudi) hat Lorna Claudi zu einem neuen Leben verholfen. Der schwache und verletzliche aber sanfte Claudi ist ihr ans Herz gewachsen und dieser denkt gar nicht daran sein Leben im Drogenrausch auszuhauchen. Die Mafia hat es aber eilig die Neubelgierin erneut, diesmal an einen Russen, zu verheiraten und möchte nicht abwarten, bis Lorna die Scheidung mit Claudi durchgezogen hat. Lorna gerät so in einen Konflikt, der sie innerlich zerbricht.
Sparsam und realistisch ist die Handlung in Szene gesetzt und die Figuren wirken auf eine beunruhigende Art normal und damit real. Damit lassen die Regisseure dem Zuschauer Raum sich in den Hauptpersonen zu spiegeln und erzeugen so eine weitaus höhere Betroffenheit als mit einer inszenierten Emotionalität vermittelt werden kann. Lange habe ich nach einem Film kein so stilles Kino erlebt.
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