Narziss und Goldmund
Deutschland 2020, Laufzeit: 118 Min., FSK 12
Regie: Stefan Ruzowitzky
Darsteller: Jannis Niewöhner, Sabin Tambrea, André Hennicke
Literaturverfilmung
Das falsche Leben?
„Narziss und Goldmund“ von Stefan Ruzowitzky
Bekannt wurde Stefan Ruzowitzky mit einem Genrefilm („Anatomie“), für „Die Fälscher“ gab es den Oscar, nach einem Hollywood-Intermezzo („Cold Blood“) folgte zuletzt noch ein halbgarer Zombiestreifen („Patient Zero“). Nun knöpft sich der österreichische Regisseur „Narziss und Goldmund“ vor, den Roman von Hermann Hesse aus dem Jahr 1930. Ein ungehobelter Vater aus dem Mittelalter schickt darin seinen jungen Sohn Goldmund ins Kloster. Der entdeckt dort seine kreative Ader und freundet sich mit dem bibelfesten Novizen Narziss an. Als junge Erwachsenen aber trennen sich die Wege: Goldmund zieht es hinaus in die Welt, wo er hofft, die Mutter zu finden, während Narziss schon längst gefunden hat, was er sucht: Gott. Doch die beiden Freunde werden sich wieder begegnen.
Das Leben hinter und vor den Klostermauern, Askese und Maßlosigkeit, Fokus und Orientierungslosigkeit, Innen und Außen: Hesse spiegelt zwei Lebensentwürfe, die unterschiedlicher nicht sein können. Dabei gibt es kein richtig und kein falsch. Während Goldmund unaufhaltsam das Auf und Ab der Welt durchlebt, vergräbt sich Narziss weitestgehend stabil hinter Buch und Gebet im weltentrückten Klostergemäuer. Goldmund genießt Freiheit und Verlockung und sieht sich dafür im Gegenzug fortwährend geprüft – die einzige Prüfung des Priesters indes besteht in seiner Sehnsucht nach Goldmund.
Ruzowitzky ist sichtlich bemüht, kein dröges Schulfernsehen abzuliefern. Zum einen, indem er dem kargen Klosterleben leinwandsprengend paradiesische Bilder von Natur und freier Welt entgegensetzt. Zum anderen, indem er Goldmund mit einem arg fitnessstudiogeschönten Jannis Niewöhner ("Rubinrot", "4 Könige") besetzt – der junge Menschen schmachten lässt, aber nie wirklich ins Mittelalter passen will. Außerdem setzt Ruzowitzky auf moderne Dramaturgie, sprich: er erzählt möglichst verschachtelt. Chronologisch ist halt uncool, also zerpflückt der Filmemacher den Stoff mit Zeitsprung und Zeitraffernarration. Das geht vor allem zu Lasten des ersten Drittels, in der die besondere Zuneigung der beiden Jünglinge etabliert werden will. Dies nun geschieht hier recht holprig, am Ende bleibt der Bund der beiden bloß rasch skizziert. Und damit bleibt in der Folge bis zum Ende unklar, wie die beiden getrennten Unzertrennlichen tatsächlich zueinander stehen. Der eine grient, wiederholt mehr oder weniger vage homosexuell akzentuiert, vorm Altar – der andere bewegt sich irgendwo zwischen tiefer freundschaftlicher Hingabe und Egalhaltung. Die Grundausrichtung des Dramas bewegt sich dazu zwischen Selbstfindungtragödie, Schelmenstück und „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. All das feiert die Musik mit pompösem Choral, was das Gezeigte mitunter unverhältnismäßig aufbläst.
Manche Nebenfigur, allen voran Johannes Krischs Overacting als Goldmunds Vater, mündet auch mal im Trash. Die Frauen- und Hauptfiguren aber spielen allesamt gut auf. Allen voran natürlich Sabin Tambrea („Ludwig II“), der seinen Narziss klischeegerecht, aber absolut gelungen in schmerzerfüllt sakral durchtränkte Güte kleidet.
Trotz mancher Vorbehalte: Es tut der Sache gut, dass Ruzowitzky die Sache nicht zu nüchtern angeht. Und wenn Narziss irgendwann verkündet: „Ich sorge wie jeder Abt dafür, dass sich nichts verändert“, dann flackert auch mal gelungen satirischer Witz auf. Vor allem aber verändert Stefan Ruzowitzky nicht zu viel an der Vorlage: Das Grundgerüst besteht fort, Hermann Hesses Seele bleibt! In der Suche zweier junger Menschen nach individueller Erfüllung, in ihrer Sehnsucht nach Sicherheit, Halt, Liebe und Geborgenheit, nach Freiheit, nach den Eltern. Es hilft, diese Literaturverfilmung durch die Märchenbrille zu betrachten. Und die anfängliche Unruhe legt sich irgendwann, so dass das Drama zum Ende hin zu greifen und durchaus noch zu berühren versteht.
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