Nach ihrem Debüt „Sonne“ um drei muslimische Mädchen in Wien, die ein Video zu R.E.M.s „Losing my Religion“ posten und damit einiges auslösen, erzählt Regisseurin Kurdwin Ayub im zweiten Teil ihrer Trilogie von der Kampfsportlerin Sarah – die soll in Jordanien drei Schwestern in einer Villa trainieren. Doch dort ist nichts, wie es scheint, und Sarah hat große Schwierigkeiten, die Situation einzuordnen. Das Szenario ist nicht nur für die Protagonistin verwirrend, sondern auch für den Zuschauer entwickeln sich die Ereignisse zunehmend zum nebulösen Kulturclash-Thriller. Die Debütantin Florentina Holzinger spielt die zunehmende Verunsicherung großartig. Im Gegensatz zu „Sonne“ wirkt „Mond“ kühl und glatt, was die sterile Situation der Mädchen in ihrem Goldenen Käfig gut unterstreicht.
„Das Herz ist ein Hohlmuskel“, erklärt die Biologielehrerin in der Abschlussklasse, während Jackies (Adèle Exarchopoulos) Herz gerade gewaltig für Clotaire (François Civil) schlägt. Der hat die Schule geschmissen, sich selbst zum „Outlaw“ ernannt und wird von klassisch agierenden Gangstern angeheuert – inklusive groß inszenierter Raubzüge. Die epische Liebesgeschichte von Gilles Lellouche („Ein Becken voller Männer“) spielt in den 80er Jahren mitsamt Telefonzellen, Mixtapes und Walkman. Es ist die Zeit von „No Future“, was sich eindrucksvoll im kontrastreichen Cinemascope mit riesigen Industrieanlagen und brennenden Schloten mitteilt. Im Gangsterplot spielt die prekäre Lage der Dock-Arbeiter eine entscheidende Rolle. Ein raffinierter Zusammenschluss, der den knallharten Gernefilm „Beating Hearts“ heraushebt.
Familienvater Sinan (Ahmet Rıfat Şungar) ist linientreuer Kommandant der türkischen Armee. Sein Bruder Kenan (Berk Hakman) sitzt in Haft und soll zu einem Verhör gebracht und anschließend als Deserteur vors Militärgericht gestellt werden. Sinan bekommt den Auftrag, den Gefangenentransport zu begleiten. Wie zuletzt in dem oscarnominierten Drama „Die Saat des heiligen Feigenbaums“, unterwirft sich auch hier ein Familienvater dem Diktat der Diktatur und stellt seine Loyalität über Recht, Empathie und familiäre Bindung. So wie dort die Töchter, wird hier der Bruder durch entfremdete Nahestehende schmerzhaft mit seiner Haltung konfrontiert. Der deutsche Regisseur Türker Süer diskutiert in „Schatten der Nacht“ berührend und ambivalent Begriffe wie „Loyalität“, „Pflicht“ und „Vaterland“.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: die postapokalyptische Musical-Satire „The End“ von Joshua Oppenheimer, das Coming-of-Age-Drama „I Like Movies“ von Chandler Levack, die Dokumentation „Stasi FC“ von Arne Birkenstock, Daniel Gordon und Zakaria Rahmani, das Portrait „Röbi geht“ von Heidi Schmid, Christian Labhart, die Tragikomödie „Funny Birds – Das Gelbe vom Ei“ von Hanna Ladoul, Marco La Via, das Gangsterdrama „Haps – Crime doesn’t pay“ von Ekrem Engizek, „Riff Raff – Verbrechen ist Familiensache“ von Dito Montiel, der Statham-Actioner „A Working Man“ von David Ayer, der Blumhouse-Spuk „The Woman in the Yard“ von Jaume Collet-Serra und die Slasherkomödie „Y2K“ von Kyle Mooney.
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