Das Leistungsprinzip ist in Deutschland tief verwurzelt. Die Stellung in der Gesellschaft resultiert danach aus der individuellen Leistung – wer es nicht in die obere Einkommensklasse schafft, ist selbst schuld. Der Soziologe und Journalist Christopher Wimmer hingegen meint, dass die kapitalistische Produktionsweise notwendigerweise Gewinner und Verlierer erzeuge. Mit Armut einhergehende Umstände wie schlechte Wohnungsverhältnisse und gesundheitliche Probleme seien Faktoren der Marginalisierung, die ein Klassenmerkmal darstellten. Am 2. April spricht Wimmer in der Volkshochschule Essen über die Erzählung, dass Armut ein Resultat von Selbstverschulden sei – und was Betroffene dazu sagen. Die Grundlage für den Vortrag bildet sein Buch „Die Marginalisierten“, das wiederum auf seiner Dissertation basiert.
„Ich dachte eigentlich, dass die Zeiten von Klassenkampf vorbei sind“, wunderte sich zuletzt die CSU-Politikerin Dorothee Bär in der Sendung „Hart aber fair“. Sie reagierte damit auf die Forderung des Linken-Parteivorsitzenden Jan van Aken, Milliardäre abzuschaffen. Auch Christopher Wimmer beobachtet, dass zumindest der Klassenbegriff trotz bestehender sozialer Ungleichheit kaum Verwendung findet. Jedoch sei die soziale Frage – trotz ihrer weitgehenden Bedeutungslosigkeit in der Nachkriegszeit – im 21. Jahrhundert auch in Deutschland zurückgekehrt. Aufbauend auf den Theorien von Karl Marx, Pierre Bourdieu und Edward P. Thompson befasst sich Wimmer mit dem Klassenbewusstsein im Verhältnis zum sozialen Wandel. Auf der Basis von knapp 30 Stunden Tonbandmaterial, das bei der Recherche zu „Die Marginalisierten“ entstand, untersucht Wimmer zudem die Lebensumstände, Ängste, Hoffnungen und Herausforderungen sozial marginalisierter Menschen. Dabei richtet er sich gegen Stereotype und einen Blick von oben herab. Auch die Auswirkungen der Stigmatisierung auf die Selbsteinschätzung sind Teil seiner Untersuchungen – denn empirische Studien legen nahe, dass viele Menschen ihre Situation nicht als strukturelles Problem wahrnehmen, sondern sich selbst die Schuld geben.
Arm und selbst schuld? | Mi 2.4. 18 Uhr | VHS Essen | www.vhs-essen.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Digitalisierung 2.0
Vortrag über KI in der VHS Essen – Spezial 10/24
Wasserängste
Vortrag in der VHS Essen – Spezial 04/23
„Wir hätten schwer in das Agentur-System reingepasst“
Interview mit zwei GrafikerInnen zur VHS-Ausstellung „Ist doch Logo!“ – Kunst 03/19
Neue Bündnisse, alte Krisen
Online-Diskussion „Wie weiter nach der Bundestagswahl?“ – Spezial 02/25
Deckeln gegen die Mietbelastung
Online-Diskussion „Sind die Mieten noch zu bremsen?“ – Spezial 01/25
Was erreicht worden ist
Warum Nostalgie auch in die Zukunft weist – Spezial 01/25
Ehrung für ein Ruhrgebiets-Quartett
Verleihung des Brost-Ruhr-Preises 2024 in Bochum – Spezial 11/24
Klimaschutz = Menschenschutz
„Menschenrechte in der Klimakrise“ in Bochum – Spezial 11/24
Minimal bis crossmedial
Rekorde und Trends auf der Spiel Essen – Spezial 10/24
KI, eine monströse Muse
12. Kulturkonferenz Ruhr in Essen – Spezial 09/24
Wurzeln des Rechtsextremismus
Online-Vortrag „Ist die extreme Rechte noch zu stoppen?“ – Spezial 09/24
Wem gehört die Ökosphäre?
Seminar „Die Rechte der Natur“ in der VHS Dortmund – Spezial 05/24
Stimmen der Betroffenen
Vortrag über Israel und Nahost in Bochum – Spezial 04/24
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
„Was im Ruhrgebiet passiert, steht im globalen Zusammenhang“
Die Dokumentarfilmer Ulrike Franke und Michael Loeken über den Strukturwandel – Über Tage 03/24
Geschichte der Ausbeutung
„Wie Europa Afrika unterentwickelte“ im Bochumer Bahnhof Langendreer – Spezial 02/24
„Einer muss ja in Oberhausen das Licht ausmachen“
Fußballfunktionär Hajo Sommers über Missstände im Ruhrgebiet – Über Tage 02/24
„Mir sind die Schattenseiten deutlicher aufgefallen“
Nora Bossongüber ihre Tätigkeit als Metropolenschreiberin Ruhr – Über Tage 01/24
„Hip-Hop hat im Ruhrgebiet eine höhere Erreichbarkeit als Theater“
Zekai Fenerci von Pottporus über Urbane Kultur in der Region – Über Tage 12/23
Suche nach Klimastrategien
Gespräch im Essener LeseRaum Akazienallee – Spezial 11/23
„Das Ruhrgebiet erscheint mir wie ein Brennglas der deutschen Verhältnisse“
Regisseur Benjamin Reding über das Ruhrgebiet als Drehort – Über Tage 11/23
„Kaum jemand kann vom Schreiben leben“
Iuditha Balint vom Fritz-Hüser-Institut über die Literatur der Arbeitswelt – Über Tage 10/23