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Unheimlich schön

POLITIK-LABOR – Ein Thema, drei Schwerpunkte: Aufmacher, Interviews, Europa-Artikel, Glosse und Lokaltexte aus Köln, Wuppertal und dem Ruhrgebiet

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Composing: Robert Michalak
 

Unheimlich schön / Nichts bleibt, wie es ist
Intro (Link zur Langfassung)

Aus dem Körperkult gibt es kein Entrinnen. Wo auf Leinwand oder Bühne großes Geld verdient wird, werden Schönheitsideale übererfüllt, treiben Studios, Personaltrainer und Plastische Chirurgen Stars zu einem Lebensstil gemäß ihrem Marktwert an. Die Industrie befördert Ideale, die kaum ein Mensch erfüllen könnte, selbst, wenn er es wollte: Kaum ein Alltag lässt die Freiheiten, die es braucht, um sich vor allem um die eigene Erscheinung zu kümmern und ob beispielsweise der eigene Stoffwechsel eine Gewichtsabnahme begünstigt, hängt von den Genen ab. So ist der Wunsch, so oder so auszusehen, nicht bloß privat, sondern selbstverständlich gesellschaftlich und medial geprägt. Unser Monatsthema UNHEIMLICH SCHÖN fragt daher: Wie lässt sich ein gutes Gespräch über Aussehen und Schönheit führen – und wie nicht?

Unheimlich schön / Nichts bleibt, wie es ist
Teil 1: Schönheitsoperationen

Der Schönheitskult setzt nicht nur auf treibenden Schweiß. Auch medizinisch überflüssige Schönheits-OPs werden mehr und mehr nachgefragt. Was grundsätzlich Privatsache ist, ist auch ein Markt, der zuerst auf Gewinn setzt, nicht auf Wohlergehen. Lassen sich operativ überschüssige Kilos beheben, gar Schamlippen vergrößern oder verkleinern, Jungfernhäutchen rekonstruieren oder Penisse verlängern – dann liegt auch die Gefahr nahe, den eigenen Körper als Konsumprodukt zu begreifen, die Entwicklung des eigenen Charakters, die Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Bedürfnissen gleichsam in den OP-Saal zu verlegen. Andererseits: Was spricht dagegen, sich von der Nase, für die man seit jeher verspottet wurde, „zu befreien“, wenn sonst alles zur Zufriedenheit läuft, man mit dieser einen Sache aber nicht ins Reine kommt? Wer entscheidet, welcher Eingriff „gesundheitlich überflüssig“ ist?

Unheimlich schön / Nichts bleibt, wie es ist
Teil 2: Sport und Sportsucht

Die Begeisterung und der Stress um die sportliche Optimierung des eigenen Körpers kehren wieder und wieder, Namen wechseln, Inhalte kaum. Ausdauertraining wird zur Cardio, Situps locken als Crunches mit dem Reiz des Neuen. Was sollte falsch daran sein? Bewegung macht Spaß, gleicht aus, ist gesund, ja lebensverlängernd. Wer Sport treibt, kommt zudem meist unter Menschen. Es kann allerdings zum Zwang werden, zum unerfüllbaren Ideal. Verstärkt wird dergleichen von Berühmtheiten und Influencern, die von nichts anderem als ihrem Erscheinungsbild zehren und sich beispielsweise ihren muskulösen Hintern in einem Martyrium aus Kalorienzählen und hantelbewehrten Squats und Lunges „hart verdient“ haben. Solche Eindrücke befördern eine Sucht, die nicht gestillt werden kann. Vor allem unter Männern ist die Angst verbreitet, nicht muskulös genug zu sein (Muskelsucht).

Unheimlich schön / Nichts bleibt, wie es ist
Teil 3: Gesellschaftlicher Schönheitsdruck

Der Widerstand gegen absurde Körperideale wächst ebenfalls. Unter Body Positivity werden (Selbst-) Akzeptanz und Vielfalt gegen perfektionistischen Konformitätswahn aufgerufen. Die Bewegung ergreift Partei für Menschen, die Diskriminierung ausgesetzt sind, wendet sich ausdrücklich gegen Bodyshaming, den gesellschaftlichen Druck, den besonders übergewichtige Menschen erfahren. Zuweilen verharmlost sie allerdings selbst extremes Übergewicht und weist medizinischen, faktenbasierten Rat als Diskriminierung zurück. Das kann nicht nur körperlich bedingte Gesundheitsrisiken und Erkrankungen begünstigen, sondern ebenfalls ein Vorwand sein, sich nicht mit tieferliegenden Problemen, dem eigenen Lebenswandel auseinanderzusetzen. Eine Korrektur gewissermaßen soll Body Positivity durch Body Neutrality erfahren: Sie wirbt für eine Abkehr von der (zwanghaften) Objektivierung und Bewertung von Körpern, dafür, Selbstakzeptanz und -liebe an die eigenen Werte oder sozialen Fähigkeiten zu knüpfen.

Unheimlich schön / Nichts bleibt, wie es ist
Teil 4: Europa gestalten – Vorbild Frankreich

Schönheits-Filter für die Bildbearbeitung auf Sozialen Medien verschleiern sowohl Hautverunreinigungen als auch das Alter von Nutzer:innen. Um destruktive psychologische Effekte zu dämmen, möchte die französische Regierung diese Filter als Teil eines Influencer-Gesetzes regulieren. Laut Bruno Le Maire, Frankreichs Minister für Wirtschaft und Finanzen, geht es nicht darum, Influencer zu bekämpfen, sondern darum, sie gemeinsam mit Nutzern zu schützen, zum Beispiel vor dem Vergleich mit unerfüllbaren Idealen. Die geplante Regelung soll in erster Linie Transparenz schaffen. Falls Influencer auf ihren Accounts Bilder hochladen, die Filter verwenden, müssen die Bilder als bearbeitet gekennzeichnet werden.

Unheimlich schön / Nichts bleibt, wie es ist
Teil 5: Glosse – Vom Streben nach konformer Schönheit in feministischen Zeiten

Wir wollen der Plastischen Chirurgie gar nicht in Abrede stellen, dass ihre Angebote Heilsames ausrichten können für Körper und Seele unglücklich entstellter und verunfallter Mitmenschen. Nur ist das, was uns heutzutage allerorts begegnet, weniger rekonstruiert als konstruiert. Denn: Inzwischen gilt ja bereits als entstellt, wer minimal abweicht von der ohnehin unerreichbaren Barbie-Norm. Der Zustand existenzieller Not ist in unserer Barbieworld dermaßen heruntergepegelt, dass eigentlich jede und jeder von uns die Notwendigkeit sieht für einen Eingriff. Ja, die Leinwand: Sie vermag, uns satirisch die Augen zu öffnen – und manifestiert zugleich das Schönheitsideal. Trotz „Barbie“ bleibt Barbie Barbie. Auch wenn Margot Robbies Version im Film irgendwann die Schminke weg lässt – im Regal landet sie so nicht.

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