Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.582 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Patrick Dollas, Mitgründer von Unsere Armut kotzt uns an
Foto: Leo Thomann

Gegen die soziale Kälte

28. Dezember 2022

Duisburger Initiative „Unsere Armut kotzt uns an“ – Teil 1: Lokale Initiativen

Der Raum im Zentrum für Kultur ist gut gefüllt an diesem Dienstagmittag. Heute ist Sozialberatung, wie jede Woche von 12 bis 15 Uhr. Vor einem Jahr übernahm der Verein für die solidarische Gesellschaft der Vielen e.V. die ehemalige Kneipe in Duisburg Hochfeld – neben Marxloh das zweite sogenannte Problemviertel der Stadt. Bereits länger ist Hochfeld für hohe Arbeitslosigkeit und Kinderarmut bekannt.

Die Menschen, die hier hinkommen, suchen Hilfe beim Umgang mit den Behörden oder beim Stellen von Anträgen, bei gestiegene Energiepreisen oder Wohnungsräumungen. Zudem ist das Zentrum für Kultur ein offener Raum, jeder kann vorbeikommen. Oft werden die Räumlichkeiten für Kindergeburtstage genutzt. Jeden Donnerstag findet eine offene Vollversammlung statt. In Kooperation mit der Tafel Duisburg werden Spenden gesammelt – auch um einen Aufnahmestopp zu verhindern, den derzeit viele Tafeln verhängen.

Aufnahmestopp verhindern

Energiekrise, Inflation, Krieg. Im Zuge der Krisen, die ärmere Menschen besonders treffen, gründete sich zudem die Initiative „Unsere Armut kotzt uns an“. Gemeinsam mit dem Verein wird jeden zweiten Sonntag im Monat das „Fest für Alle“ veranstaltet. Essen und Trinken gibt es, dazu Redebeiträge und Musik, gemeinsam mit dem Duisburger Projekt Syntopia wird Kleidung bereitgestellt. Mit der Initiative wolle man die soziale Frage wieder in den Vordergrund stellen, so Mitgründer Patrick Dollas. „Wir bringen Wärme in den Winter bringen“, heißt es in ihrem Manifest.

In den Debatten um die Energieversorgung und den Ukraine-Krieg trete die zunehmende Armut immer wieder in den Hintergrund, sagt Dollas. Armut werde noch immer als individuelles Thema verstanden, zudem habe sie eine abschreckende Wirkung. Es brauche aber eine gesellschaftliche Lösung, um das Problem anzugehen.

Oft werde zwar über Hochfeld als Problem gesprochen, aber nicht über die Probleme vor Ort, so Dollas. Es seien vor allem Menschen, die nicht gehört werden. Der Verein sowie die Initiative sollen aber nicht nur für diese da sein, sondern von den Betroffenen mitgestaltet werden.

Eigene Forderungen

Die Fläche auf den Schildern bleibt frei – hier kann jede selbst ihre Forderungen eintragen. Nach dem letzten Fest wurden einige dieser Forderungen Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link überreicht, der in die Einwohner Hochfelds „auf ein Eis“ einlud. „Taskforce entkriminalisieren“ steht groß auf einem der orangenen Plakate.

Damit gemeint ist die Task Force Problemimmobilien der Stadt. Denn während Link zum Eis einlädt, räumt eben diese Task Force nur ein paar Hundert Meter weiter eine Wohnung. Keine Seltenheit in Hochfeld – wie auch dieses Mal ist meist Brandschutz der Grund. Die Einwohnerinnen, die bei Räumung vorher nicht informiert werden, trifft das zum Teil hart. Man nehme den Menschen ihr soziales Umfeld, beklagt Patrick Dollas. Und ohne Adresse ließen sich keine Sozialleistungen beantragen.

Er frage sich jedoch, ob die Entziehung des sozialen Umfeldes nicht auch ein Stück weit gewollt sei. Die Stadt Duisburg möchte den Stadtteil, in dem viele Zugewanderte aus Südosteuropa wohnen, aufwerten. 2027 soll Hochfeld Schauplatz der Internationalen Gartenschau werden. Die zentrale Lage mache den Stadtteil für Investoren interessant.


ARMUT LEICHT GEMACHT - Aktiv im Thema

ichbinarmutsbetroffen.start.page | Die basisdemokratische und linke Bewegung erwartet von der Politik, die Armutsfrage ernst zu nehmen.
dishwasher-magazin.de | Das „Magazin von und für Arbeiter*innenkinder“ gibt denen eine Stimme, die aufgrund ihres „tatsächlichen, vererbten“ oder „zugeschriebenen sozialen Status benachteiligt, diskriminiert und entwürdigt“ werden.
bodoev.org | Seit fast 30 Jahren klärt der Verein mit seinem in Dortmund und umliegenden Städten verteilten Straßenmagazin in über die Belange armer und obdachloser Menschen auf.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@trailer-ruhr.de

Leo Thomann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Gerechtes neues Jahr
Intro – Armut leicht gemacht

Nachrichten als Krise
Medienfrust und der Vertrauensverlust des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Teil 1: Leitartikel

„Berichterstattung beeinflusst politische Entscheidungen“
Journalismusprofessor Kim Otto über den Wandel im Wirtschaftsjournalismus – Teil 1: Interview

Perspektiven gegen Armut
Das Herner Sozialforum – Teil 1: Lokale Initiativen

Angst und Unwissen
Ökonomische Bildung darf nicht mehr Mangelware sein – Teil 2: Leitartikel

„Eindeutig ein Defizit bei der Demokratiebildung“
GEW-Vorsitzende Maike Finnern über gerechte Schulbildung – Teil 2: Interview

„Um den Armen zu geben, braucht man nicht das Geld der Reichen“
Ökonom Maurice Höfgen über Staatsfinanzierung und Wohlstand – Teil 2: Interview

Wirtschaft für alle
Die Gruppe Gemeinwohl-Ökonomie Köln-Bonn – Teil 2: Lokale Initiativen

Klassenkampf von oben
Reiche und ihre politischen Vertreter gönnen den Armen nicht das Schwarze unter den Fingernägeln – Teil 3: Leitartikel

„Die Crux liegt in der Lohnstruktur“
Ökonomin Friederike Spiecker über Ursachen und Bekämpfung von Armut – Teil 3: Interview

Für eine Kindheit ohne Armut
Die Diakonie Wuppertal – Teil 3: Lokale Initiativen

Bis zur nächsten Abstimmung
Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen – Europa-Vorbild Schweiz

Lokale Initiativen

HINWEIS