Sieben Zwerge, sieben Wunder, sieben Tage, sieben Projektionsflächen. Eine Zahl, in Asien bedeutet sie Unglück, eine Mauer im Dortmunder Depot. Ein multimedialer Parcours nach Shakespeare soll durch sie hindurch führen. Hindurch in eine andere Realität, Drogenexzesse, virtuelle Welten? Die drei Hamlets da auf der Bühne warten jedenfalls auf ihre OP, das letzte Hemdchen schon auf den Schultern, wehren sie sich noch, nur wissen sie nicht wovor. Die Informationen prasseln. Wir sind das Volk, wir werden sie jagen, Deutschland ist Weltmeister, Video-Performing, alte Meister sind das Fundament der Kultur? Beileibe nicht, auch sie sind nur Kinder eines ewigen Marktes. Das Zeitalter der Überforderung macht keine Gefangenen, es hinterlässt nur Opfer. Hamlet. Sein Vater hat sich in den Kopf des Sohnes gegraben und lässt die Gedanken nicht mehr frei. Armer Hoffmann von Fallersleben.
Freien Lauf lassen muss das Publikum bei „Hamlet“ von Sir Gabriel Trafique (formerly known as Sir Gabriel Dellmann) um den Schauspieler und Regisseur Björn Gabriel allemal. Sonst ist es selbst verloren. Live-Kamera, Live-Video, über 100 Presets und was sonst noch nützlich ist in der Postpopkultur, aber immer noch nur eine Bühne und eine Welt. Die Bilder sind schnell, der Raum stets dunkel, zwischen asynchronem Video und Soundteppichen von AniYo Kore wandern die Protagonisten hin und her. Da wird Sprache zur Herausforderung und Töne werden zu Lebensformen. Die Sache selbst als Urheber ist verloren gegangen, die Regie verliert sich selbst, doch nie den Faden, sie lässt das Trio verklebt zurück. Der Zufall generiert die Szenen. Wo ist nun das Gespenst im Labyrinth der Tarnnetze? Na? In Helsingör? Assoziativ Pasolini mit Brathering. „Ich bin meines Vaters Geist.“ Hamlet im Psilocybin-Wahn, oder steckte da etwas in den Bananen? Immerhin der Garten der Lüste, aber nur der rechte Teil des Triptychons für Hamlet. Böser Hamlet, wir scheuen die Mausefalle, da liegt sie, die Beine gespreizt, und doch Verzicht, verschmäht der Liebe Pein. Nach 90 Minuten ist der Mensch erreicht oder bleibt er gefangen in der Welt der ewigen Verführung aus möglichen Realitäten? Wer weiß das schon?
„Hamlet – Ein multimedialer Parcours nach Shakespeare“ | R: Björn Gabriel | Do 9.11., Fr 10.11. 20 Uhr | Theater im Depot, Dortmund | www.depotdortmund.de
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