Der Satz fällt eigentlich in einem Chanson von Hildegard Knef: „Bei dir war es immer so schön und es fällt mir unsagbar schwer, zu geh‘n. […] Warum hast du mir denn so weh getan und was fang ich ohne dich an?“, sang die Schauspielerin und Sängerin im Jahr 1966. Auf diese melancholische Zeile spielt der aktuelle Romantitel von Heinz Strunk an: „Es ist immer so schön mir dir“.
Der Bestsellerautor wählte jedoch die Präsenzform für seinen Titel. Denn erst im Laufe der Handlung geht der jüngeren Schauspielerin Vanessa dieser Satz über die Lippen. Sie befindet sich in einer On-Off-Beziehung mit dem namenlosen Protagonisten. Dass es nicht so schön bleibt, wird in dieser tragikomischen Geschichte jedoch schnell klar. Strunk exerziert die zwischenmenschlichen Komplikationen und toxischen Klippen dieser Affäre.
Bedeutungsschwer am Lesepult
Im Bahnhof Langendreer performte Strunk eine „heruntergedampfte“ Fassung seines aktuellen Werks, eine Art Novelle, die der Hamburger aus seiner „Diplomatentasche aus veganem Staußleder“ zückt. Natürlich hat der Autor, Schauspieler und Sänger nicht verlernt, das Publikum abzuholen: „Mit Autoren, die ihre Bücher vorlesen, mit denen stimmt was nicht“, scherzte er. Mit ernster Miene das Lektüreprogramm durchzuziehen und bedeutungsschwer zum Wasserglas auf dem Lesepult zu greifen, das sei nicht sein Ding. „Sie sind für mich keine amorphe Masse, sondern Kunden“, betonte Strunk. Sein langfristiges Ziel sei, „Bestandskunden“ zu gewinnen.
Dabei wurde bereits im fast ausverkaufen Saal deutlich, dass Strunk einen treuen Kundenstamm hat. Es liegt auch daran, dass er in „Es ist immer so schön mir dir“ die Motive und Themen aus seinen vorherigen Werken aufgreift. Sein Antiheld ist Mitte 40 und befindet sich in einer Midlifecrisis. Bis dieser erfolglose Musiker, der sich mit einem Solo-Tonstudio irgendwie über Wasser hält, die junge Vanessa kennenlernt.
Es sind die spitzen und bösen Beschreibungen, mit denen Strunk reüssierte und ebenso im neuen Buch aufgreift. Vergänglichkeit trifft auf einen derben Humor, wenn sich sein Protagonist im Spiegel mustert, und seinen Verfall beklagt: das Gesicht faltenreich, der „Sack“ ausgeleiert. Wie in „Fleisch ist mein Gemüse“ neigt sein Held dazu, regelmäßig zum Glas zu greifen.
Fragen, auf die es keine Antwort gibt
Und es eröffnet eine kurzweilige Prosa mit scharfsinnigen Alltagsbeobachtungen, melancholischen Zwischentönen oder simplen Sentenzen, die Strunk unnachahmlich als erlebte Rede verpackt. So heißt es an einer Stelle: „Er schenkt noch mal nach. Warum auch nicht. Er kann sich so oft nachschenken, wie er will. Betrunken sein heißt, nicht an Fragen zu verzweifeln, auf die es keine Antwort gibt. Als Kind war seine Idealvorstellung vom Leben im Bett liegen, Louis-de-Funès-Filme schauen, Vollmilch-Katzenzungen essen und eiskalte Fanta trinken. Echtes Glück, Kinderglück. Schwache Erinnerungen, dünn wie Rauchfäden, leider kann er sich nur an wenig aus der Kindheit erinnern.“ Es ist der bewährte Strunk-Sound, den sein Publikum auch im kommenden Sommer hören kann. Denn der Erfolgsautor kündigte an diesem Abend bereits seine nächste Buchneuerscheinung im Juni an. Bis dahin hat er wohl weitere Bestandskunden.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Staatraison und Schockstarre
Vortrag zum Nahostkonflikt im Bochumer Bahnhof Langendreer
Kluge Lieder
Nichtseattle im Bochumer Bahnhof Langendreer
Die Ruhe im Chaos
Emma Ruth Rundle in Bochum und Köln – Musik 07/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
Geschichte der Ausbeutung
„Wie Europa Afrika unterentwickelte“ im Bochumer Bahnhof Langendreer – Spezial 02/24
Musik mit Sogwirkung
Derya Yıldırım und Grup Şimşek in Bochum – Musik 12/23
Dokumentation rechten Terrors
„Der Halle-Prozess“ in Bochum – Spezial 03/23
Knotenpunkt der Kultur
Bahnhof Langendreer feiert 36-jähriges Jubiläum – Prolog 07/22
Alle Macht den Care- und Energieräten
Gabriele Winker in Bochum – Literatur 04/22
Berufung auf Umwegen
Nikita Miller zu Gast in Langendreer
Bühne frei
Poetry und Open Mic Bühne mit Ajayini Sathyan
Alles auf Prüfstand
Politisches Kabarett mit Jean-Philippe Kindler
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Literatur in Höchstform
25. LesArt.Festival in Dortmund – Festival 11/24
Schaffenskraft und Schaffenskrise
20. Ausgabe des Festivals Literaturdistrikt in Essen – Festival 11/24
Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24
Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24
Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24
Sprachloser Aufbruch
Philosoph Wolfram Eilenberger auf der Lit.Ruhr – Literatur 10/24
Mit Sörensen zum Eisbaden
Sven Stricker und Bjarne Mädel beim Festival „Mord am Hellweg“ – Literatur 10/24
Krawall und Remmidemmi
Begehren und Aufbegehren im Comic – ComicKultur 10/24
Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24
Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24
Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24
Wie geht Geld?
„Alles Money, oder was? – Von Aktien, Bitcoins und Zinsen“ von Christine Bortenlänger und Franz-Josef Leven – Vorlesung 09/24