Manchmal gelingen Konzerte so mühelos, dass erst im Rückblick (oder beim nächsten Besuch in einem lieblosen Schummer- und Wummer-Club) klar wird, wie sensationell sie waren. Dies war ein solches Konzert. Die Rede ist von Derya Yıldırıms Auftritt im Bahnhof Langendreer am 19. November, mit dem die 29-jährige Hamburgerin und ihre Grup Şimşek den Deutschland-Part ihrer Tournee beschlossen. Beide Wörter, yıldırım und şimşek, bedeuten übrigens „Blitz“.
Yıldırıms Musik geht zurück auf den Anadolu Rock der 70er Jahre. Das exotisierende Label „Weltmusik“ mag sie nicht. Vertonte Gedichte, Volkslieder und Eigenkompositionen singt sie mit glockenklarer, sehnsuchtsvoller Stimme, die sie durch viel Rhythmusgefühl und Vibrato wirklich wie ein Instrument einsetzt. Dazu spielt Yıldırım die Bağlama, eine Langhalslaute. Bundesweit ist sie die einzige studierte Musikerin mit diesem Instrument als Hauptfach. In türkischen Familien gehöre die Bağlama zur Hausmusik dazu, sagte sie 2019 dem nd.Aktuell. Sie lässt sich in die Melodien und deren Stimmung fallen, die fabelhafte Band versetzt das Ganze mit psychedelischen Grooves und einer Prise Jazz.
Graham Mushnik an Orgel, Synthesizer und Keyboard-Bass, Antonin Voyant an E-Gitarre, Bassgitarre und Flöte sowie Helen Wells an Drums und Percussion erzeugen einen tanzbaren, schwingenden, federleichten Sog, der nicht überwältigt, sondern aufnimmt und zum Tanzen animiert. Mitgeklatscht wird gegen Ende des Abends ohne Animation, es ergibt sich einfach. Der Sound ist in Bochum vortrefflich, die Atmosphäre gelöst. Yıldırım freut sich über ihr erstes Konzert „im Ruhrpott“: Teile ihrer Familie sind aus Herne angereist und feiern natürlich mit.
Auf Youtube hat die Band unter dem Namen „Berlin Sessions“einige live im Studio aufgenommene Lieder in der aktuellen Besetzung veröffentlicht. Sie eignen sich am besten zur Überbrückung der Wartezeit auf hoffentlich bald wieder anstehende Live-Begegnungen.
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