Boxen voller Textilien stapeln sich bis unter die Decke. Der Lagerkeller des Vereins Grenzenlose Wärme am Dortmunder Hafen ist neben einer Halle in Dortmund-Lanstrop die zweite Adresse, in der die Flüchtlingsinitiative die vielen Kleiderspenden sortiert. Regelmäßig ruft der Verein über Instagram dazu auf, in dieser Lagerhalle mitzuhelfen. Denn die Hilfsmittel und Kleiderspenden müssen sortiert und ausgewählt werden: Was kann wo gebraucht werden? Welche Größe? Für welche Geschlechter? „Dafür fragen wir auch regelmäßig bei den Initiativen vor Ort an“, erklärt Jan Hersemann, einer von fünfzehn Ehrenamtlichen bei Grenzenlose Wärme. „Auf jeder Palette muss auch für den Zoll dokumentiert sein, was da drauf ist.“
Einsätze in Griechenland und Bosnien
Erst seit der Pandemie konzentriert sich der Verein darauf, Kleiderspenden zu sortieren und in betroffene Regionen zu liefern. Denn alles begann, als einige Studierende der Fachhochschule Dortmund zum Jahreswechsel 2016/17 nach Griechenland fuhren, um vor Ort zu helfen. Es folgte die Gründung von Grenzenlose Wärme, seit 2019 ein eingetragener Verein. Bis Januar 2020 schlossen sich zehn Einsätze in Griechenland und Bosnien an. Dann führten die Pandemiemaßnahmen dazu, dass solche Fahrten zunächst eingestellt wurden und der Fokus auf Spenden und Speditionen wechselte. „Wir wollten trotz Corona weiterhin was machen“, sagt Hersemann.
Diese Form der ehrenamtlichen Hilfe war bereits Ende Februar 2022 umso mehr gefragt, als Russland die Ukraine überfiel und damit über acht Millionen Menschen zur Flucht zwang. Auch für diese Kriegsflüchtlinge sammelte Grenzenlose Wärme Hilfsmittel und Textilien. Was damals in der Westfalenhalle zusammenkam, sei eine Menge gewesen: „Ich habe selten einen so gigantischen Haufen an Kleidersammlungen gesehen“, erinnert sich Jan Hersemann. „Plötzlich war die Hilfsbereitschaft wieder riesengroß. Aber im Ruhrgebiet war die schon immer toll.“
Lage vor Ort verschlechtert
Weiterhin brauche es viele Spenden – auch Geld. Zwar werde der Verein von der Stadt Dortmund gefördert, das gelte aber ausschließlich für dieLagerräume und nicht für die Speditionen. Allein der Versand nur einer Palette koste knapp 500 Euro, wie Hersemann vorrechnet. Im Jahr 2022 sei es um 340 Paletten oder 923.000 Artikel gegangen. „Daher besteht der größte Druck darin, ausreichend Spenden reinzukriegen.“
Dass der Verein anders als zu Beginn, also 2016, weiterhin verstärkt aus der Ferne mittels Spenden hilft, liege auch an einer Asylpolitik, die europaweit verschärft wurde. Zwar kooperiert Grenzenlose Wärme mit einer Organisation in der französischen Küstenstadt Calais, wo nach wie vor viele Geflüchtete ankommen. Doch vor dem Hintergrund der aktuellen Asylpolitik sei es insgesamt schwierig geworden, vor Ort zu helfen, etwa in Griechenland „Die Hilfsstrukturen sind schwächer, die Repressionen sind stärker geworden“, sagt Hersemann, „die Situation für NGOs verschlechtert sich immer mehr“. Seine Einschätzung korrespondiert mit der Kritik von Asylrechtsorganisationen, welche Haftzentren an den Außengrenzen und die Abschiebungen in fast beliebige außereuropäische Staaten anprangern. So resümiert auch Hersemann: „Die aktuelle Flüchtlingspolitik bedeutet für uns, dass wir die Menschen an den Außengrenzen kaum erreichen.“
GRENZVERLETZUNG - Aktiv im Thema
proasyl.de | Die 1986 gegründete, in Frankfurt a.M. ansässige Organisation Pro Asyl setzt sich für die Rechte von Flüchtlingen ein und recherchiert Menschenrechtsverletzungen.
mediendienst-integration.de/artikel/eine-sogwirkung-konnte-nicht-nachgewiesen-werden.html | Der Beitrag erklärt, warum die Behauptung, staatliche Sozialleistungen zögen viele Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland, falsch ist.
dw.com/de/faktencheck-f%C3%BChrt-seenotrettung-zu-mehr-fl%C3%BCchtlingen-und-migranten/a-57759340 | Der Beitrag erklärt, warum die Behauptung, zivile Seenotrettung fördere Flucht und Migration, falsch ist.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@trailer-ruhr.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Erst die Tat, dann der Glaube
Intro – Grenzverletzung
Wo europäische Werte enden
Menschen aus dem globalen Süden dürfen nicht einfach so in die EU – Teil 1: Leitartikel
„Besser keine Reform als eine menschenrechtswidrige“
Asylrechtsexpertin Sophie Scheytt von Amnesty International über die EU-Asylreform – Teil 1: Interview
Gefährliche Kanzel-Culture
Für mehr Streit und weniger Feindbilder – Teil 2: Leitartikel
„Mich besorgt die Feigheit der Mitte“
Journalist Ijoma Mangold über Cancel Culture und Diskursgrenzen – Teil 2: Interview
Hass gegen die Presse
Journalistin Corinna Blümel (KJV) über Empörungskultur – Teil 2: Lokale Initiativen
Auf dem rechten Auge blind
Verfolgungseifer von Behörden, Politik und Presse gegen Linke – Teil 3: Leitartikel
„Auf den Verfassungsschutz zu setzen, reicht nicht aus“
Sozialpsychologe Andreas Zick über Gefahren durch politischen Extremismus – Teil 3: Interview
Stachel mit Widerhaken
Das Autonome Zentrum an der Gathe lebt linke Werte – Teil 3: Lokale Initiativen
Für Kunstfreiheit und Menschenrechte
Safemuse gibt verfolgten Künstler:innen sichere Zufluchtsorte – Europa-Vorbild: Norwegen
Die Große Freiheit
Menschen und die Grenzen des Wahnsinns – Glosse
Immer in Bewegung
Teil 1: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Jenseits der Frauenrolle
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Zusammen und gegeneinander
Teil 3: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Europa verstehen
Teil 1: Lokale Initiativen – Initiative Ruhrpott für Europa spricht mit Jugendlichen über Politik
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 2: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Verbunden über Grenzen
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertal und seine europäischen Partnerstädte
Korallensterben hautnah
Teil 1: Lokale Initiativen – Meeresschutz im Tierpark und Fossilium Bochum
Was keiner haben will
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Kölner Unternehmen Plastic Fischer entsorgt Plastik aus Flüssen
Wasser für Generationen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Wupperverband vernetzt Maßnahmen und Akteure für den Hochwasserschutz
Orientierung im Hilfesystem
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Opferschutzorganisation Weisser Ring in Bochum
Hilfe nach dem Schock
Teil 2: Lokale Initiativen – Opferschutz bei der Kölner Polizei
Häusliche Gewalt ist nicht privat
Teil 3: Lokale Initiativen – Frauen helfen Frauen e.V. und das Wuppertaler Frauenhaus
Kaum entdeckt, schon gefährdet
Teil 1: Lokale Initiativen – Artenschutz und Umweltbildung in der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen
Forschung muss nicht quälen
Teil 2: Lokale Initiativen – Ärzte gegen Tierversuche e.V. argumentiert wissenschaftlich gegen Tierversuche