In einer Welt, in der jeder Fakt alternative Brüder und Schwestern hat, ist alles vakant. Kein Wunder, dass das sechste Nachwuchsfestival der freien Kunst- und Kulturszene im Mülheimer Ringlokschuppen unter dem Motto „Wahrheit & Widerspruch, Wirklichkeiten & Werte“ steht. Das Hundertpro Festival zeigt neun Arbeiten aus Theater, Tanz, Performance und Physical Theatre auf drei Bühnen. Hoffen wir, dass das Wetter an diesem Abend durchhält und nicht nur drinnen gearbeitet werden kann.
Die einzelnen Stücke kreisen um zahlreiche Identitäten: In ihrem Projekt „Frutta Fresca“ wollen zwei in Deutschland als südländisch gelesene Performer:innen kulturelle Stereotype auflösen. Kumar Muniandy hinterfragt in „Second Class Queer“ neben den eigenen Erfahrungen mit Rassismus auch die eigene Identität, Queerness und verinnerlichte Homophobie. Gleich fünf Biografien auf einem Laufsteg zeigt „Like, really cunt“. Fünf Performerinnen gehen einer weiblichen Energie nach, die über biologische Körper hinausgehen will.
Aber die Vielfalt verändert die Perspektiven und damit die Wahrnehmung, auch weil die Grenzen des Gewohnten programmatisch überschritten werden: So befassen sich drei Trans-Performer:innen in „Babylon“ mit den Möglichkeiten queerer Reproduktion, „Neon Serenade“ ist ein Tanz über „Cowboygurls“, den Verlust von Intimität und Verhandlungen über das Begehren – und in „Baalya“ arbeitet Anand Dhanakoti mit Elementen der Zirkuskünste. Dazu lädt er das Publikum in eine multisensorische Performance ein, die auf seinen persönlichen Erfahrungen im indischen Bengaluru basiert. Weiterhin setzt sich der in Bagdad geborene Rymon Zacharei in „Der Pass“ mit der Bedeutung des blauen Dokuments für Geflüchtete in Deutschland auseinander. Fehlen noch „Impatients“, ein Physical Theatre-Stück, in dem sich Charlie Wyrsch mit der Pathologisierung von Queerness und psychischer Gesundheit aus einer queeren Perspektive beschäftigt, und „Haba na Haba“, ein Solostück zum Wohlfühlen von Paul Damiano über seine Kindheit in Kenia. Je nach eigenem Ermessen zahlen Besucher:innen für den Abend zwischen 5 und 25 Euro Eintritt.
6. Hundertpro Festival | Sa 31.8. | Ringlokschuppen Ruhr, Mülheim a.d. Ruhr | www.ringlokschuppen.ruhr
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Liebe und Gewalt
„Told by my Mother“ in Mülheimer a.d. Ruhr – Tanz an der Ruhr 03/24
Veränderung und Entwicklung
„Deep Talk“ im Mülheimer Ringlokschuppen – Prolog 11/23
Britney Spears bis Working Class
HundertPro Festival im Ringlokschuppen Ruhr – Festival 09/23
Diskursive Fronten überwinden
„Produktives Streiten“ in Mülheim – Spezial 08/23
Sommerstücke im Grünen
Hochbetrieb vieler kleiner Bühnen im Ruhrgebiet – Prolog 07/23
Folklore und Feuerwerk
ExtraSchicht im Ruhrgebiet – Festival 06/23
Dancing ‘bout my Generation
„Potere“ in Mülheim an der Ruhr – Tanz an der Ruhr 03/23
Desertion gegen Kriegstreiberei
„Ein Mensch wie ihr“ in Mülheim an der Ruhr – Prolog 10/22
Gegen die Normalität
„Hundertpro Festival“ im Ringlokschuppen Ruhr – Festival 08/22
Opa und die SS
„Ur-Heidi. Eine Heim-Suchung“ von KGI – Bühne 02/22
Internationale Frauenpower
Lesungsreihe der Silent University Ruhr
Ausweg Mensch
Ringlokschuppen zeigt „Hard Feelings“
Ein zeitloser Albtraum
Franz Kafkas „Der Prozess“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Prolog 12/24
„Vergangenheit in die Zukunft übertragen“
Regisseur Benjamin Abel Meirhaeghe über „Give up die alten Geister“ in Bochum – Premiere 12/24
Die Grenzen der Bewegung
„Danses Vagabondes“ von Louise Lecavalier in Düsseldorf – Tanz an der Ruhr 12/24
Stimme gegen das Patriarchat
„Tabak“ am Essener Grillo-Theater – Prolog 11/24
Freigelegte Urinstinkte
„Exposure“ auf PACT Zollverein in Essen – Prolog 11/24
Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24
„Ich glaube, Menschen sind alle Schwindelnde“
Regisseurin Shari Asha Crosson über „Schwindel“ am Theater Dortmund – Premiere 11/24
Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24
Bollwerk für die Fantasie
Weihnachtstheater zwischen Rhein und Wupper – Prolog 10/24
Mentale Grenzen überwinden
„Questions“ am Münsteraner Theater im Pumpenhaus – Prolog 10/24
Der Held im Schwarm
„Swimmy“ am Theater Oberhausen – Prolog 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
„Hamlet ist eigentlich ein Hoffnungsschimmer“
Regisseurin Selen Kara über „Hamlet/Ophelia“ am Essener Grillo Theater – Premiere 10/24