Ja, was lese ich denn da? „Sie dürfen einem Gerücht, das Ihnen heute zu Ohren kommt, keinen Glauben schenken. Wahrscheinlich will man Sie nur schwächen. Abends können Sie Klarheit bekommen.“ Schade, es ist erst Mittag und Klarheit könnte man eigentlich immer gebrauchen. Vielleicht bezieht sich das kostenlose Horoskop der Hamburger Morgenpost (vom 9.2.) für Jedermann und -frau im Internet aber auch eher auf eine durchzechte Nacht – dann ist es natürlich wahr, das mit der Klarheit erst am Abend. Um die Wahrheit geht es diesen Ratgeber:innen aber natürlich nicht, daher kommt wohl auch ihr „Erfolg“ und ihre gerade wieder wachsende Beliebtheit. In ihrer humorvollen, manchmal auch satirisch-bösen Graphic Novel „Liv Strömquists Astrologie“ geht die schwedische Zeichnerin Liv Strömquist der Frage nach, warum sich Jahrhunderte nach der Aufklärung noch so viele Menschen mit angeblich in den Sternen stehenden Wahrheiten befassen. Es scheint nicht nur das Interesse an sich selbst und eine verzweifelte Sinnsuche zu sein, sondern auch der Reiz am Mystischen.
Am Düsseldorfer Schauspielhaus hat man die Zeichen in den zahlreichen Planetenkonstellationen erkannt und inszeniert gerade Strömquists Comic als Theaterabend auf der Bühne des Kleinen Hauses. Regisseur Philipp Rosendahl und sein Team lesen dabei natürlich keine Horoskope vor, sondern gestalten eine Show über den Einfluss kosmischer Kräfte auf unser Handeln. Und darüber, welche Promis mit ihren persönlichen Sternzeichen wie gut oder schlecht wegkommen. Wer will nicht wissen, was über Taylor Swift in den Sternen steht und ob da tatsächlich auch ein Spieler der Kansas City Chiefs verzeichnet ist. Erstaunlich, dass auch der alte Rapper Flavor Flav als „Public Enemy“ in der Liste Strömquists vorkommt. Der späte Fisch soll also liebenswürdig und sensibel sein? „Fight the power“, sag ich da nur – und das scheint mir momentan sehr zeitgenössisch zu sein. Sigmund Freud, der alte Stier, hätte bestimmt gewusst warum – und da haben wir ja was gemeinsam, aber ich komme natürlich im Düsseldorfer Stück nicht vor. Die Sterne standen schlecht.
Liv Strömquists Astrologie | 1. (Voraufführung), 7. (UA), 14., 25.3., 3., 20.4. | Schauspielhaus Düsseldorf, Kleines Haus | www.dhaus.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Aus anderem Holz geschnitzt
„Pinocchio“ am Düsseldorfer Schauspielhaus
Waffen als Hobby
„Kriegsspiele“ am Düsseldorfer Schauspielhaus
Offen und ambitioniert
Andreas Karlaganis wird neuer Generalintendant in Düsseldorf – Theater in NRW 12/24
Die Erbsen sind immer und überall
„Woyzeck“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 02/24
Unberührbare Souveränität
Frank Wedekinds „Lulu“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 03/20
Die Macht, ihr Preis und die Tradition
Düsseldorfer Schauspielhaus feiert 50-jähriges Bestehen – Theater in NRW 01/20
Donna Quichotta der Best Ager
„Linda“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 01/20
Lulle und Enterhaken
„Ein Blick von der Brücke“ im Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 05/19
Schlachtfeld der Phantasie
„Hamlet“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 03/19
Küchenpsychologie der Macht
„Momentum“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 01/19
Wie es den Kwants gefällt
Philipp Löhles „Die Mitwisser“ in Düsseldorf – Theater Ruhr 06/18
Bad Feeling vs. Feel-Good
„Der Sandmann“ in Düsseldorf und „Natürlich blond“ in Wuppertal – Musical in NRW 12/17
Tanzende Seelen
„Dips“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 02/25
„Eine Frau, die förmlich im Leid implodiert“
Regisseurin Elisabeth Stöppler über „Lady Macbeth von Mzensk“ in Düsseldorf – Interview 02/25
„Die perfekte Festung ist das perfekte Gefängnis“
Ulrich Greb inszeniert Franz Kafkas „Der Bau“ am Schlosstheater Moers – Premiere 02/25
Nichts für Konfirmand:innen?
„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ in Bochum – Prolog 02/25
Zwischen Realität und Irrsinn
„Kein Plan (Kafkas Handy)“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Prolog 01/25
Wenn Hören zur Qual wird
„The Listeners“ in Essen – Prolog 01/25
Licht in der Finsternis
„Brems:::Kraft“ in Köln und Mülheim a.d. Ruhr – Theater Ruhr 01/25
Wenn KI choreografiert
„Human in the loop“ am Düsseldorfer Tanzhaus NRW – Tanz an der Ruhr 01/25
„Ich war begeistert von ihren Klangwelten“
Regisseurin Anna-Sophie Mahler über Missy Mazzolis „The Listeners“ in Essen – Premiere 01/25
Wenn die Worte fehlen
„Null Zucker“ am Theater Dortmund – Prolog 01/25
Ein zeitloser Albtraum
Franz Kafkas „Der Prozess“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Prolog 12/24
„Vergangenheit in die Zukunft übertragen“
Regisseur Benjamin Abel Meirhaeghe über „Give up die alten Geister“ in Bochum – Premiere 12/24
Die Grenzen der Bewegung
„Danses Vagabondes“ von Louise Lecavalier in Düsseldorf – Tanz an der Ruhr 12/24