Stefanie und Serkan Köseoglu haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Ehe eine etwas andere ist. Deutlich wurde das bereits beim großen Tag am Bochumer Standesamt. „Der Standesbeamte hatte ihn auf dem Kieker“, sagt Stefanie und fügt lächelnd hinzu: „Er sagte, Serkan müsse ab und zu auch mal kochen“. Dabei war Serkan, obgleich damals mit einem Pferdeschwanz beim eifrigen Beamten Ängste schürend, alles andere als der Problem-Migrant für die Abendreportage im Fernsehen. Für den angehenden Pädagogen war es eine seiner Leidenschaften, daheim zu kochen. Aber dem Beamten boten sich noch andere Gelegenheiten: „Er hat Stefi dreimal nahegelegt, dass sie ihren Namen behalten könne“. Und Stefanie ergänzt mit weiten Augen: „Die wollten nicht glauben, dass ich von Stegelmeier zu Köseoglu wechseln möchte.“ Die Entscheidung war für die beiden weniger spektakulär als für den Herren vom Standesamt. Sie kannten sich bereits aus der Zeit an der Gesamtschule in Bochum. Nach einigen Umwegen traf man sich dann später wieder. „Ich war 30 und hatte mir meine Hörner abgestoßen“, erklärt Serkan mit einem müden Lächeln. Sein Vater nahm die Tatsache, dass es keine türkische Ehefrau wird, recht pragmatisch zur Kenntnis: „Mein Vater sagte mir, ich müsse mit ihr klarkommen, nicht er.“
Zur Hochzeitsfeier musste es dann aber die türkische Variante sein, obwohl Stefanie lieber in einem kleineren Rahmen gefeiert hätte. Sie selbst lud 20 Leute ein. Insgesamt waren es knapp über 220 Hochzeitsgäste. „160 Leute kannte ich nicht“, resümiert die Braut von damals, während Serkan nüchtern entgegnet: „Bei einer normalen türkischen Hochzeit sind es mehr als 600.“ Was aber nicht fehlen darf, ist der „Takı“, jener Ritus, bei dem man dem Ehepaar Gold und Geschenke für die Zukunft überreicht. Meistens handelt es sich bei den Geschenken um Geldsummen. Die Höhe der Gabe wird dabei laut per Mikrofon bekannt gegeben. „Ich stand da eine halbe Stunde wie angewurzelt und kriegte Geldscheine angeklebt“, erinnert sich Stefanie. Dann wurde es aber Serkans Schwester mit den alten Traditionen zu bunt. Sie ergriff kurz entschlossen das Mikrofon und verkündete: „Das ist kein Viehhandel hier“. So exotisch ist die Heirat zwischen Stefanie und Serkan nicht. Jede siebte Ehe in Deutschland wird zwischen Personen aus zwei verschiedenen Ländern geschlossen. Rechnet man noch jene Ehen mit, in denen einer der Partner einen Migrationshintergrund hat, ist es nahezu jede sechste. Tendenz steigend. Zwischen 1990 und 2006 stieg die Zahl der Eheschließungen mit Migrationshintergrund jährlich von 20.000 auf 120.000 an, so eine Studie des Leibniz Instituts für Sozialforschung. Die Scheidungsrate weicht dabei nicht von „klassischen“ deutschen Ehen ab. Und auch Stefanie und Serkan Köseoglu trotzen nach dem Standesbeamten der Statistik: „Wir haben diesen Samstag unser verflixtes siebtes Jahr hinter uns.“
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Keiner traut sich?
Auf die Krise der Institution Ehe gibt es unterschiedliche Antworten – THEMA 01/13 EHE-LOS
„Nicht zwingend ein Trauschein nötig“
Katja Dörner über die Familienpolitik der Grünen – Thema 01/13 Ehe-Los
„Die Ehe ist für uns weiterhin Leitbild“
Ingrid Fischbach über die familienrechtlichen Entwürfe der Union – Thema 01/13 Ehe-Los
Errare humanum est
Lioba Albus über das Phänomen „Highraten“ – Thema 01/13 Ehe-Los
Gegen welche Regel?
Intro – Flucht und Segen
Schulenbremse
Teil 1: Leitartikel – Was die Krise des Bildungssystems mit Migration zu tun hat
„Die Kategorie Migrationshintergrund hat Macht“
Teil 1: Interview – Migrationsforscher Simon Moses Schleimer über gesellschaftliche Integration in der Schule
Bildung für Benachteiligte
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe in Bochum
Rassismus kostet Wohlstand
Teil 2: Leitartikel – Die Bundesrepublik braucht mehr statt weniger Zuwanderung
„Ein Überbietungswettbewerb zwischen den EU-Staaten“
Teil 2: Interview – Migrationsforscherin Leonie Jantzer über Migration, Flucht und die EU-Asylreform
Ein neues Leben aufbauen
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Mosaik Köln Mülheim e.V. arbeitet mit und für Geflüchtete
Zum Schlafen und Essen verdammt
Teil 3: Leitartikel – Deutschlands restriktiver Umgang mit ausländischen Arbeitskräften schadet dem Land
„Es braucht Kümmerer-Strukturen auf kommunaler Ebene“
Teil 3: Interview – Soziologe Michael Sauer über Migration und Arbeitsmarktpolitik
Ankommen auch im Beruf
Teil 3: Lokale Initiativen – Bildungsangebote für Geflüchtete und Zugewanderte bei der GESA
Das Recht jedes Menschen
Die Flüchtlings-NGO Aditus Foundation auf Malta – Europa-Vorbild Malta
German Obstacle
Hindernislauf zur deutschen Staatsbürgerschaft – Glosse
Weihnachtswarnung
Intro – Erinnerte Zukunft
Nostalgie ist kein Zukunftskonzept
Teil 1: Leitartikel – Die Politik Ludwig Erhards taugt nicht, um gegenwärtige Krisen zu bewältigen
„Nostalgie verschafft uns eine Atempause“
Teil 1: Interview – Medienpsychologe Tim Wulf über Nostalgie und Politik
Lebendige Denkmäler
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Route Industriekultur als Brücke zwischen Gestern und Heute
Aus Alt mach Neu
Teil 2: Leitartikel – (Pop-)Kultur als Spiel mit Vergangenheit und Gegenwart
„Früher war Einkaufen ein sozialer Anlass“
Teil 2: Interview – Wirtschaftspsychologe Christian Fichter über Konsum und Nostalgie
Spenden ohne Umweg
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Netzwerk 2. Hand Köln organisiert Sachspenden vor Ort
Glücklich erinnert
Teil 3: Leitartikel – Wir brauchen Erinnerungen, um gut zu leben und gut zusammenzuleben
„Erinnerung ist anfällig für Verzerrungen“
Teil 3: Interview – Psychologe Lars Schwabe über unseren Blick auf Vergangenheit und Gegenwart