Ein Intendant mehr oder weniger – darauf kommt es in Düsseldorf derzeit nicht an. Ob das durch Rücktritt, Durchstecherei oder Abberufung geschieht, die Landeshauptstadt gibt sich beim Enthaupten ihres Schauspiels großzügig: Köpfe sind zum Rollen da. Nachdem vor zwei Jahren Staffan Valdemar Holm wegen Burnout von der Leitung der Bühne am Gründgensplatz zurückgetreten war, explodierte kurz darauf die Findungskommission, aus der Namen eines Nachfolgers lanciert worden waren. Nun muss Interimsintendant Manfred Weber seinen Hut nehmen, weil ihm ein Defizit von 5,4 Mio. Euro zum Abschluss des Betriebsjahres 2012 angelastet wird, das Stadt und Land als Träger ausgleichen mussten. Ein weiteres Minus für die folgenden Spielzeiten 12/13 und 13/14 scheint nicht ausgeschlossen.
Richten soll es ab 1. März die Altherrenriege Günther Beelitz als künstlerisch Verantwortlicher und Alexander von Maravic als Geschäftsführer. Der eine leitete das Haus schon einmal in grauer Vergangenheit, der andere amtierte zuletzt als Verwaltungschef der Oper Leipzig. Sie sollen das Haus innerhalb von zweieinhalb Jahren wirtschaftlich konsolidieren und es dann frisch aufpoliert übergeben. Wie das gelingen soll, steht in den Sternen. Da die beiden ihren Job nicht umsonst machen werden, dürfte dies das Defizit weiter in die Höhe treiben.
Wenn dieses neuerliche Interim dann 2016 zu Ende geht und ein/eine NachfolgerIn bereit steht, werden Stadt und Land als gemeinsame Träger vier Jahre nach einem neuen Intendanten gesucht haben. Plan- und orientierungsloser hat schon lange keine Stadt, kein Bundesland mehr ihr/sein Schauspiel behandelt. Unstrittig ist, dass das Haus Schulden gemacht hat, unstrittig ist aber auch, dass die künstlerische Leistung nicht so schlecht war, wie sie vielerorts dargestellt wurde. Schon zu Beginn der Intendanz Holm hatte sich eine Phalanx der Gegner formiert, die die Bühne systematisch destabilisierte. Die Front reichte quer durch Politik, Presse und Zuschauer. Wer Repertoirevorstellungen gelungener Inszenierungen besucht hat (wie der Autor), wunderte sich über die fast vorsätzliche Verweigerung des Publikums. Zwar hat der Zuspruch inzwischen leicht angezogen, doch Weber und seinem Team hat es nichts mehr genutzt. Dass der Name des vermeintlichen Retters Beelitz bereits Tage vor Webers Abberufung durch die Stadt geisterte, ist Ausdruck einer großen Stillosigkeit. Desavouiert wurden damit auch die Mitarbeiter des Hauses, die kurz vor Webers Rausschmiss in einem öffentlichen Brief vor weiterer Diffamierung des Haues sowie einer Debatte um einen neuen Interimsintendanten warnten. Nicht zu Unrecht beklagten sie die Hinhaltetaktik von Stadt und Land. Genau dieses Interim des Interims ist nun eingetreten. Wo auch immer die Schuld im Detail liegen mag, der Ruf Düsseldorfs als kulturpolitisch schwieriges und theaterpolitisch konservatives Parkett wurde einmal mehr bestätigt.
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