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Foto: Thomas Rabsch

Pathetische Idealisten und faschistische Blutegel

31. Januar 2019

Schillers „Don Karlos“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 02/19

Wie nähert man sich historischen Wahrheiten an, ohne eine Vorlage zu verraten. Schiller hat seinen Titelhelden Don Karlos zu einem Freiheitskämpfer stilisiert, der er nie war. Der historische Karl soll geisteskrank gewesen sein. Jonas Friedrich Leonhardi trägt in der Düsseldorfer Inszenierung rote Lippen zu weißer Gesichtstünche und aufgerissenen Augen. Alexander Eisenachs Klassikerinszenierung macht aus dem pathetischen Titelhelden einen neurasthenischen Spielball der Interessen in einer heiß laufenden Intrigenmaschine. Öffentlichkeit gibt es nicht, alle Granden und Hofdamen sind gestrichen. Hier kämpft jeder für sich selbst. Wenn am Ende alle Pläne gescheitert sind, rauscht eine Sturzflut roter Bällen herab, der Himmel weint blutige Tränen.

Die Bühne besteht aus einem Wachturm und einem mit Acrylglasplatten belegten Metallpodium, das sich später teilt und dessen Arme an den Turm andocken. Mit der Teilung beginnt die Bühne sich zu drehen, die Intrige nimmt Fahrt auf. Karlos liebt die ihm versprochene, dann aber von seinem Vater Philipp gekaperte Elisabeth (Lea Ruckpaul). Doch die will hier nur wenig von ihm wissen. Als sie selbst in Verdacht gerät, wird sie zur Furie und schlägt sich die Stirn blutig. Und Posa, der mit Karlos als Strohpuppe das protestantische Flandern aufwiegeln will, ist bei André Kaczmarczyk ein flatterhafter Träumer, der seinen angeblichen Freund als Menschenmaterial seines Idealismus verheizt.

Lena Schmids historische Kostüme, unter denen die Gegenwart durchscheint, setzen ein distanzierendes Moment. Hier wird Schiller samt Freiheitskampfes gegen Despoten auchgespielt. Und so sind auch die Diktatoren vor Intrigen nicht sicher. Im ersten Teil wirkt Wolfgang Michaleks Philipp fast leger in seinem Machtbewusstsein. Ein scharfer Ton, eine Handbewegung reichen aus. Im bildmächtigen zweiten Teil kann man der mentalen Zersetzung und Irritation dieses Gewaltherrschers zusehen, als der Militär Alba (Sebastian Tessenow) sich als gefederter Blutengel mit Zitaten von Björn Höcke geriert. Der Großinquisitor ist dann bei Karin Pfammatter in Pulli und Jeans nur noch kalt lächelnde Gegenwart. Das Heute hat alle Utopien zur Strecke gebracht. Knapp vier Stunden Spieldauer sind viel, aber vor allem der zweite Teil lohnt den Besuch.

„Don Karlos“ | R: Alexander Eisenach | 8.2. 19.30 Uhr, 7.2., 3.3. 16 Uhr | Düsseldorfer Schauspielhaus | 0211 36 99 11

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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