Er wird einer von sechs Millionen Arbeitslosen in Berlin. Sie wird seine Gattin. Johannes Pinneberg und Emma Mörschel, genannt Lämmchen, sind das Kernteam, das in Hans Falladas Stück „Kleiner Mann, was nun“ mitten in der Weimarer Republik um die nackte Existenz kämpfen muss. Obwohl sie Buchhalter und Verkäuferin sind, jung und willig für ihren Unterhalt und das Baby, das anfangs noch nicht einmal geboren ist, zu arbeiten. Aber – und das war in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nichts Ungewohntes – Pinneberg ist ein Garnichts. Und Fallada schreibt realistisch auf, was dieser Garnichts fühlt, denkt und erlebt.
„Man muss sein Herz an etwas hängen, was es lohnt.“ Auch diese Einstellung hilft nur am Ende weiter. Das angedachte Märchen des kleinen Mannes mit den einfachen Zielen wird boshaft zerstört, denn der große Börsencrash stürzt 1929 die Welt in eine Krise. Fallada nahm dies als düstere Oberfläche für seinen 1932 veröffentlichten Roman, der ihn nicht nur über Nacht zum erfolgreichen Schriftsteller machte, sondern wohl auch seinen Verleger rettete.
Aber mal kurz zum Anfang. Die überraschende Diagnose „Anfang zweiter Monat“ bringt neues Leben in die junge Beziehung, es folgen, wie sollte es damals auch anders sein, Heirat, Wohnung, Arbeit, eben ein neuer Lebensabschnitt. Der Kampf beginnt, um Job und um die Liebe, und der kleine Murkel macht es nicht leichter. Aber Johannes Pinneberg versucht dabei aufrichtig zu bleiben, obwohl er verliert. Den Job, die Wohnung, sein letztes bisschen Würde, denn Gewalt ist nicht sein Ding.
Falladas „Held“ wurde 1972 zum Aufbruch in ein neues Theaterzeitalter in Bochum, viele Bilder aus Peter Zadeks Revue mit Hannelore Hoger und Heinrich Giskes sind mir noch präsent. Am Düsseldorfer Schauspielhaus inszeniert aktuell Tilmann Köhler die melancholische Liebesgeschichte mit vielen aktuellen Bezügen zum andauernden Strukturwandel, auch in der NRW-Landeshauptstadt hangelt sich Johannes Pinneberg von einer prekären Anstellung zur nächsten Entlassung.
Kleiner Mann – was nun? | Fr. 8. (P), 21., 28., 30.10. 19.30 Uhr | Düsseldorfer Schauspielhaus | www.dhaus.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Die Erbsen sind immer und überall
„Woyzeck“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 02/24
Wolf oder Schaf
„Mindset“ am D’haus Düsseldorf – Prolog 10/23
Machtspiele
„Maria Stuart“ am Schauspielhaus
Pathetische Idealisten und faschistische Blutegel
Schillers „Don Karlos“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 02/19
Undurchdringliche Welt
Jan Philipp Gloger inszeniert „Das Schloss“ in Düsseldorf – Theater Ruhr 10/18
Hölle, wo ist dein Stachel?
„Die Göttliche Komödie“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Bühne 07/18
Wie es den Kwants gefällt
Philipp Löhles „Die Mitwisser“ in Düsseldorf – Theater Ruhr 06/18
Travestie und Lumpenchic
Brechts „Dreigroschenoper“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 12/17
Träum weiter
„Der Sandmann“ in Recklinghausen und Düsseldorf – Theater Ruhr 06/17
Friendly Fire
Düsseldorf kauft Rechte am Schauspielhaus – Theater in NRW 03/17
Kammerspiel des ewigen Singles
Bühnen-Vorschau: „Finnisch“ im Schauspielhaus Bochum am 13.1. – Theater Ruhr 01/17
Wasserwürmer im Gewitter
„Das Käthchen von Heilbronn“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 01/17
Stimme gegen das Patriarchat
„Tabak“ am Essener Grillo-Theater – Prolog 11/24
Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24
„Ich glaube, Menschen sind alle Schwindelnde“
Regisseurin Shari Asha Crosson über „Schwindel“ am Theater Dortmund – Premiere 11/24
Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24
Bollwerk für die Fantasie
Weihnachtstheater zwischen Rhein und Wupper – Prolog 10/24
Mentale Grenzen überwinden
„Questions“ am Münsteraner Theater im Pumpenhaus – Prolog 10/24
Der Held im Schwarm
„Swimmy“ am Theater Oberhausen – Prolog 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
„Hamlet ist eigentlich ein Hoffnungsschimmer“
Regisseurin Selen Kara über „Hamlet/Ophelia“ am Essener Grillo Theater – Premiere 10/24
„Was dieser Mozart gemacht hat, will ich auch machen“
Komponist Manfred Trojahn wird 75 Jahre alt – Interview 10/24
Das gab es noch nie
Urbanatix im Dezember wieder in Essen – Bühne 10/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24
Die Zwänge der Familie
„Antigone“ in Duisburg – Prolog 09/24