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Verstörend und sehr lustig: Rolf Miller aus dem Odenwald
Foto: promo

Meister der verbalen Spitzen

30. Juli 2013

Rolf Miller und Helge Schneider beim Zeltfestival Ruhr – Komikzentrum 08/13

Während in Dortmund ein Spiegelzelt aufgebaut worden ist, in dem „RuhrHOCHdeutsch“ gesprochen wird, hat man am Kemnader See bei Bochum-Witten eine Zeltstadt errichtet: Vom 16. August bis zum 1. September geht es beim Zeltfestival Ruhr rund. Und obwohl die Musik-Acts eindeutig überwiegen, gibt es auch eine Reihe großer Kleinkünstler, die zeigen, wo der verbale Hammer hängt. Zum Beispiel Rolf Miller aus Walldürn im Odenwald. Frei nach Karl Kraus, der gesagt hat „Es genügt nicht, sich keine Gedanken zu machen, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken“, bringt der Kabarettist am 21. August einen Typen auf die Bühne, der aus seinem Herzen keine Mördergrube macht.

Mit schwerem Odenwald-Akzent reiht er unter dem Titel „Tatsachen“ verquere Satzbrocken aneinander – ein Mann, der ganz mit sich im Reinen ist, der sich im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte wähnt, und dem es piepegal ist, ob er anderen mit seiner selbstgefälligen Phrasendrescherei auf die Nerven geht. Kurz: ein Mannsbild wie aus dem Bilderbuch der Ignoranten, ein einziges Paket aus Ressentiments und Stammtischparolen.

Dabei ist Miller ein Meister des Timings: Punktgenau gesetzte Pausen korrespondieren mit der bräsigen Haltung, in der er seine unausgegorenen Meinungen unter die Leute bringt. Die Arme ineinander verschränkt sitzt er breitbeinig da und feixt. Das alles wäre kaum zum Aushalten ohne die hinterfotzige Komik, mit der er die Realität anreichert – ein Erlebnis.

Was sich auch von Helge Schneider sagen lässt, der im Rahmen seiner Tournee „With love in my fingers & Bunte Sommerabende mit Musik und Quatsch“ am 28. August im Zeltfestival auftritt. Begleitet von seiner Band und zwei seiner „Helge hat Zeit“-Fernsehgästen, der Beatboxerin Butterscotch und der großartigen Puppenspielerin Suse Wächter. Mit seinem Besuch will sich der „König der singenden, tanzenden Blattläuse“ bei seinen Fans bedanken, die dem Mann aus Mülheim an der Ruhr 40 Jahre lang die Treue gehalten haben. Mal sehen, was er sich diesmal einfallen lässt, um seine Zuschauer – unter ihnen nicht wenige, die weit weniger Jahre auf dem Buckel haben als seine Bühnenlaufbahn – zu entzücken, zu unterhalten und zum Lachen zu bringen. Wenn einer sich Musik-Clown nennen darf, dann er. Wobei damit nicht das rührselige, weiß geschminkte Tränentier gemeint ist, sondern ein Künstler, der sich seine Kindheit in die Tasche gesteckt hat und schnell weggelaufen ist, als man ihn zum Erwachsenen machen wollte. Fest steht auf jeden Fall, dass er wieder viel Musik dabei hat. Vielleicht ist der Meisenmann dabei oder der Schönheitschirurg von Banania – egal, weil alles, was der Meister anstimmt, garantiert zu einem musikalischen Cocktail der Extraklasse wird: scharf, süffig und spritzig.

Ins Dortmunder Spiegelzelt wiederum verschlägt es am 2. August den österreichischen Kabarettisten, Autor, Schauspieler, Regisseur, Boxkampfrichter und Sportkommentator Werner Schneyder. Die Brettl-Legende hat sich inzwischen weitgehend aufs Schreiben verlegt: In dem Programm „Ich bin konservativ“ outet er sich als Meinungsträger, am Klavier begleitet von Christoph Pauli. Mit Jürgen Busse tritt an selber Stelle am 30. und 31. August einer jener vielseitigen Künstler auf, die von einer Schublade in die nächste geschoben werden. Schauspieler bezeichnen Busse als Moderator. Moderatoren halten ihn für einen Seriendarsteller. Die Seriendarsteller bezeichnen ihn als Comedian. Die Comedians reihen ihn ein unter Kabarettisten. Die Kabarettisten behaupten gerne, er gehöre zum Boulevard-Theater. Was er wirklich ist? Einfach ein herausragender Künstler, der in vielen Disziplinen zu Hause und mit einem untrüglichen Gespür für Pointen, Mimik und Gestik gesegnet ist. „Wie komm ich jetzt da drauf?“ heißt sein grandioses Solo, in dem er sich mit allem möglichen herumschlägt – in Richtung „ebenerdiges Wohnen für Senioren“. Darüber können auch Nerds lachen – meint jedenfalls die stets über Tage lebende


ANNE NÜME

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