Solche Herrscherinnen braucht das Land: Lioba Albus, selbsternannte „Königin im Egoland“, weiß, wie man die auf einen Schuldenberg aufgelaufene Costa Alemannia wieder fahrtüchtig macht. Mit an Bord: die sauerländische Quasselstrippe Mia Mittelkötter, ihres Zeichens Hausfrau mit legendärer Einkaufstasche und unverzichtbarer Perlenkette. Die 1958 geborene Kabarettistin, die seit 1991 das Zepter weiblichen Emanzipationsstrebens schwingt und deren spielerische Wurzeln in vielfach wiederholten Ausformung der schwierigen Charakterrolle von Schneeweißchen zu finden sind, wird vom 13. bis 18. Februar im Dortmunder Cabaret Queue einmal mehr beweisen, dass ihr Redefluss garantiert nicht versiegt – und zu unbotmäßigen Lachanfällen seitens des Publikums führt.
Was garantiert auch auf den Auftritt von FiL aus Berlin zutrifft, der am 22. mit seinem Handpuppenhai Sharkey angereist kommt: Der als Philip Tägert in Berlin geborene und dort im Märkischen Viertel aufgewachsene Comedian, Comic-Zeichner, Ex-Punk, Sänger und Songwriter entzieht sich den üblichen Kriterien des Showbiz. „Im Rausch der Heiterkeit“ heißt das Programm, in dessen Verlauf er im Cabaret Queue abgedroschene Versatzstücke des alltäglichen Sprachgebrauchs durch den Wolf dreht – und zwar so, dass sie in ihrer ganzen Hohlheit erst sichtbar werden. Der Mann wickelt seine Zuschauer mit der Spiellust eines großen Kindes und der Unerbittlichkeit eines Wahrheitssuchenden um die Finger.
Als Shooting-Stars der runderneuerten Liedermacher-Szene könnte man Simon & Jan bezeichnen: Nach ihrem Debütalbum von 2010 legen die beiden mit „Ach Mensch“ am 20. im Bochumer Bahnhof Langendreer ihr zweites abendfüllendes Programm vor, ein „Auf- und Abgesang auf die Krone der Schöpfung“. Sie singen – meist im Duett – wie einst Simon & Garfunkel, spielen Akustikgitarre wie junge Götter und mischen in ihren Texten Tiefgründiges mit Nonsens. All das mit stupender Präzision, angereichert mit einer Prise Schüchternheit und Schalk im Nacken.
Extrem kurze Passagen („Ich leide unter Stimmungsschwankungen“) wechseln ab mit Zyklen aus der Reihe „Hilfe aus dem Jenseits“. Simon Eickhoff bringt mit virtuoser Gitarren-Akrobatik ein Hauch Rock'n'Roll ins Spiel, Jan Traphan übernimmt die lockeren Zwischenmoderationen, zieht eine quietschbunte Magister-Mütze an, zitiert Gretchen aus Goethes Faust („Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“) und fragt im darauffolgenden Song, was aus Schauspielern wie Moritz Bleibtreu und Jürgen Vogel, die Werbung für McDonald's machen, geworden sei.
Des weiteren überlegt das Duo laut, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Leute wie Mario Barth und Alice Schwarzer bei ihren gelernten Berufen geblieben wären, erzählen von einer skurrilen Begegnung mit Konstantin Wecker und schmieden poetische Verse, die an Rainer Maria Rilke erinnern. Sie jonglieren mit Volksmusik-Anklängen, holen „aus dem Bauch“ auch schon mal Deftiges, so man ihnen vorwirft, zu verkopft zu sein und wenden sich direkt an Gott, wenn es um den Sinn des Lebens geht („weiter suchen“). Noch 'n Zitat gefällig? „Zwei Schichten Nudeln und ein Pferd aus der Bretagne, das ist noch lang keine Lasagne“.
Ein weiteres, von keinerlei karnevalistischem Frohsinn getrübtes Highlight steht am 5. im Duisburger Grammatikoff ins Haus: „Das WDR-Kabarettfest“ präsentiert mit Margie Kinsky und Anna Maria Scholz alias Annamateur zwei Frauen aus der ersten Liga. Hinzu kommen der bös-lakonische Stefan Waghubinger und Fatih Cevikkollu, der 1972 in Köln geborene und als Schauspieler ausgebildete Stand-Up-Kabarettist, der es als Wanderer zwischen den Kulturen satt hat, ständig mit dem Begriff Ethno konfrontiert zu werden. Die Moderation des Abends besorgt kein Geringerer als der „kleinlaute“ Hennes Bender. Also nix wie hin – empfiehlt wärmsten die stets über Tage lebende
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