Gemeinsam erschreiben sie sich einen Literaturpreis nach dem anderen, nun haben sie ihren ersten Roman veröffentlicht: Sarah Wedler und Nadine d’Arachart rollen die Krimiszene aus Hattingen auf. Über den Weg laufen hätten sich Sarah, Jahrgang 1986, und Nadine, Jahrgang 1985, bereits in der gemeinsam besuchten Grundschule können, doch erst im Gymnasium lernten sich die beiden wirklich kennen. Seitdem bezeichnen sich die beiden Freundinnen als unzertrennlich. Mittlerweile studieren beide Sozialwissenschaften an der Ruhr-Uni Bochum. Doch auch ihre Freizeit gestalten die beiden gemeinsam und widmen sie dem Schreiben, wobei sie mit Drehbüchern begannen: „Im Alter von 17, 18 haben wir eigene Drehbücher geschrieben und diese auf No-Budget-Ebene verfilmt. Weil die Kritiken für die Drehbücher durchweg gut waren, haben wir angefangen, Treatments bei Wettbewerben einzureichen – mit Erfolg“, schildert Sarah die Anfänge, „durch einen solchen Wettbewerb entstand die Zusammenarbeit mit einer Berliner Produktionsfirma. Mit dieser arbeiten wir eng zusammen an der Umsetzung eines sozialpolitischen Dramas.“ „Ansonsten beschäftigen wir uns mittlerweile mehr mit dem Schreiben von Kurzgeschichten und Romanen“, wirft Nadine ein. Doch auch hier lassen die beiden sozialpolitische Themen nicht los: „Es ist zwar so, dass wir uns bei Romanen auf Krimis und Thriller spezialisiert haben, bei Kurzgeschichten und Drehbüchern jedoch eher sozialkritische Probleme ansprechen. Wahrscheinlich kommt das auch durch unser Sozialwissenschafts-Studium.“
Der Ruf Hattingens in Berlin
Mit einer solchen Geschichte haben sie auch die Jury des Druckstellen-Literaturwettbewerbs (siehe trailer 02/2012) überzeugen können. Zwar reichte es nicht für einen der drei Hauptpreise, aber in der Anthologie zum Wettbewerb finden sich die beiden in guter Gesellschaft wieder. Insgesamt schätzt das Hattinger Duo die literarische Szene sowie die Auftrittsmöglichkeiten im Revier als gut ein: „Es ist recht leicht, Lesungstermine zu bekommen, die Verantwortlichen sind überall sehr offen. Ob im Girardet-Haus in Essen oder auch im Rahmen der Kinder- und Jugendbuchwoche in Hattingen, wo wir eine Abendlesung für Erwachsene und Jugendliche bestreiten. Außerdem haben gerade Newcomer-Autoren durch offene Lesebühnen gute Chancen, ihre Werke vor Publikum zu präsentieren. Wir nehmen zum Beispiel regelmäßig an den Wort-Café-Veranstaltungen teil, die in den Mayerschen Buchhandlungen in Bochum, Essen und Dortmund durchgeführt werden.“ Herausragend ist allerdings der KUBISCHU Schreibwettbewerb ihrer Heimatstadt, bei dem Sarah Wedler 2009 mit dem Jurypreis ausgezeichnet wurde. Über die Reichweite dieses Preises stellte Sarah überrascht fest: „Beim Open Mike in Berlin war der Literaturförderpreis der Stadt Hattingen allen ein Begriff.“ Umso beachtlicher, als der Open Mike selbst zu den wichtigsten Nachwuchswettbewerben des deutschsprachigen Raums zählt. Im vergangenen Jahr haben es Sarah und Nadine dort bis ins Finale geschafft.
Serienmord in Wien
Die beiden Autorinnen fühlen sich also rundweg wohl im Ruhrgebiet. Städte wie Berlin oder Köln können sie trotz der Senderdichte nicht locken: „Das Drehbuchschreiben geschieht für uns eher „nebenbei“, daher ist ein Umzug für uns kein Thema. Wir sind im Ruhrgebiet aufgewachsen und sehen als echte Ruhrpottkinder keinen Grund, von hier wegzuziehen.“ Einen Autor aus dem Ruhrgebiet haben sie allerdings noch nicht gelesen, gestehen sie, „aber im Rahmen der Hattinger Buchwoche, an der wir teilnehmen, findet ebenfalls eine Lesung von Jörg Juretzka statt. Das werden wir uns auf jeden Fall ansehen.“
Doch während ihr Kollege Juretzka seine Krimis im Revier ansiedelt, spielt die Handlung des ersten Krimis aus ihrer Feder in Wien. Nun sollte man glauben, dass deshalb ein österreichischer Verlag die beiden unter Vertrag genommen hat. Tatsächlich jedoch ging die Vertragsanbahnung einen eher ungewöhnlichen Weg: „Der österreichische Verlag ist auf uns zugekommen und nicht umgekehrt. Wir haben im Rahmen eines Schreibwettbewerbs einen Beitrag eingereicht. Der Verlagschef der edition a saß in der Jury, und ihm hat unsere Geschichte so gut gefallen, dass er uns einen Vertrag für einen Roman angeboten hat. Inzwischen haben wir bereits den Vertrag für das Nachfolgewerk von „Die Muse des Mörders“ unterschrieben. Weil wir uns sowieso gerne mit Orten außerhalb des Ruhrgebiets bzw. eigentlich außerhalb Deutschlands beschäftigen, kam uns der Wien-Bezug gerade recht.“ Und so schicken die Hattinger Frauen nun einen Serienmörder mit einem Dolch durch die nächtlichen Straßen Wiens.
Auf die Frage, warum sie als Ruhrpottkinder ihr literarisches Setting in der Ferne suchen, antworten sie: „Es ist ja nicht so, dass wir gar nichts schreiben, das hier in der Gegend spielt. Beispielsweise werden wir in der Ruhrgebiets-Anthologie „’n paar Schoten“ sowie beim Druckstellen-Wettbewerb veröffentlicht. Beide Texte sind richtige Ruhrpott-Texte voller Kohle und Industriekultur. Aber auf einer sozialkritischen Ebene.“ Überhaupt stehen für 2012 einige Veröffentlichungen in Anthologien an. Es deutet alles darauf hin, dass es für Sarah Wedler und Nadine d’Arachant auf der Erfolgsleiter noch einige Stufen nach oben gehen wird.
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