Bereits zum 18. Mal liefert das Dokumentarfilmfest „Stranger than Fiction“ Anfang des Jahres unglaubliche Einblicke in die Wirklichkeit. Bei nicht wenigen Festivalfilmen der letzten Jahre staunte man ungläubig, einem Spielfilm zum selben Thema hätte man ohne Umschweife Unglaubwürdigkeit vorgeworfen. Doch was hier auf der Leinwand zu sehen ist, kommt direkt aus dem prallen Leben.
„Stranger than Fiction“ tourt Ende Januar, Anfang Februar durch das Ruhrgebiet. Im internationalen Programm werden rund ein Dutzend aktuelle Produktionen aus aller Welt gezeigt. So entführt uns Nicolas Steiner mit „Above and Below“ in eine Welt von amerikanischen Outcasts, die in Kanälen, Bunkern oder der Wüste leben und ihren ganz eigenen Blick auf das Leben haben. In „Afuera“ porträtiert Laurentia Genske zwei junge Kubaner, die mit ihren beruflichen Entscheidungen in die Illegalität gehen und zugleich einen Bruch mit ihren Familien herausfordern. Alexander Sokurov hat mit „Russian Arc“ (2002) eine in nur einer Einstellung gedrehte Hommage an die Eremitage gedreht. Sein neuer Film „Francofonia“ erforscht die Bemühungen zweier Männer – dem Franzosen Jacques Jaujard und dem Deutschen Graf Franz Wolff-Metternich – die Kunst Frankreichs vor dem Krieg zu schützen. Der eine will die Schätze des Louvre vor den Nazis retten, der andere wird von den Nazis beauftragt, den „Kunstschutz“ zu leiten. Die Musikerin und Performance-Künstlerin Laurie Anderson beschäftigt sich in ihrem Essayfilm „Heart of a Dog“ mit Humor und Melancholie mit den Themen Abschied, Todeserfahrung, Traum und Akzeptanz. Annett Ilijew, die Gewinnerin des Gerd-Ruge-Stipendiums, stellt ihren Film „Somos Cuba“ vor, der einen Blick auf den Alltag in Cuba wirft. In einem Werkstattgespräch spricht sie über ihren Film und dessen Entstehung.
Ein Fokus des Festivals liegt auf Produktionen aus NRW. Im NRW-Programm sind noch mal ein halbes Dutzend Dokumentarfilme zu sehen. So wird hier Andreas Maus‘ beeindruckende Doku „Der Kuaför aus der Keupstraße“ gezeigt, der teils mit artifiziellem Reenactment, teils mit Interviews die Situation auf der Keupstraße in Köln-Mülheim nach dem Nagelbombenattentat der NSU im Juni 2004 beleuchtet. Marcel Kolvenbach blickt mit „Dügün – Hochzeit auf Türkisch“ auf die türkische Community und ihre teils parallele Struktur innerhalb der deutschen Gesellschaft. Werner Müller trifft in „Mich kriegt ihr nicht!“ den Maler Manfred Weil, der mit jüdischem Humor von seiner Flucht vor den Nationalsozialisten erzählt: eine abenteuerliche Flucht eines Überlebenden. „Lampedusa im Winter“ von Jakob Brossmann widmet sich den ganz aktuellen Problemen von Flüchtlingen in Europa. Hristiana Raykova und Lisa Block erzählen in „Könige“ vom Leben von Obdachlosen, die teils unfreiwillig, teils aber auch selbstgewählt und stolz auf der Straße leben, als Flucht vor den Zwängen einer bürgerlichen Gesellschaft. Etliche der Vorführungen werden von Filmgesprächen und Diskussionen mit den Filmemachern begleitet, die zum Festival anreisen werden. Das Festival gastiert mit leicht modifizierten Programmen in Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Mülheim und Münster.
Stranger than Fiction – Dokumentarfilmfest | www.strangerthanfiction-nrw.de
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