Mouse on Mars, das Elektronik-Duo mit rheinischer Vergangenheit, aber inzwischen in Berlin ansässig, veröffentlicht nach 25 Jahren mit „Dimensional People“ das großzügig gerechnet 15. Album. Jubiläen, die – mal wieder – zu einer komplett neuen Musik geführt haben. Aufgenommen wurde mit unzähligen, nicht immer erwartbaren Instrumentalisten und Vokalisten (u.a. Zach Condon von Beirut, Amanda Blank, Spank Rock, Justin Vernon von Bon Iver), anschließend wurde das Material editiert und bearbeitet und objektbasiert, also dreidimensional mit räumlicher Wirkung gemischt. Das Ergebnis lässt Erinnerungen an Minimal Music, die späten Talk Talk, aber auch aktuellen R‘n‘B bzw. dessen Indie-Artsy-Version der Dirty Projectors aufscheinen. In seiner ergreifenden Vielgestaltigkeit ist das Album aber weit jenseits dieser vagen Einflüsse schon ziemlich einzigartig (Thrill Jockey).
Mark Pritchard hat seit den frühen 90er Jahren zusammen mit Tom Middleton unter Namen wie Global Communication oder Jedi Knights und Solo als Harmonic 313, Troubleman, Link oder N.Y. Connection Ambient, Electro, Drum ’n’ Bass oder Downbeat veröffentlicht, betreibt ein Label und ist DJ. Sein neues Album „The Four Worlds“ erscheint unter seinem bürgerlichen Namen. Als Album zerfällt es etwas in einen sehr stimmungsvollen, zehnminütigen Technotrack und mehrere sehr unterschiedliche, ambiente Stücke, teilweise mit Spoken Word. Einzeln betrachtet entwirft er hier aber acht sehr schöne Klangwelten (Warp).
Im Zuge der New Wave formierten sich auch Pop-Bands, die im Gegensatz zu der Chartmusik der Zeit ungeschliffen und lebendig einen neuen Sound kreierten. Neben XTC, den australischen Go-Betweens oder den schottischen Orange Juice zählten die Londoner The Monochrome Set um den Songschreiber, Gitarrist und Sänger Bid dazu. Bis 1985 haben sie vier Alben und diverse Singles veröffentlicht, bevor sie sich auflösten, aber schon 1990 wieder zusammenfanden. Die erste Phase der Band wird nun mit „1979 - 1985 – The Complete Recordings“ auf sechs Tonträgern (die vier Alben plus zwei Alben mit Singles) so ziemlich komplett zusammengefasst. Anfänglich etwas kantiger, dann immer geschmeidiger, haben sie tolle, schwungvolle Melodien, die nicht nur The Smith beeinflusst haben, aus dem Ärmel geschüttelt, und daneben zunehmend diverse Musikstile in ihre Songs integriert (Tapete).
Wie genau sich die Erfolgsgeschichte von DAF aus Sicht von Robert Görl und Gabi Delgado ereignete, kann man in dem gerade erschienenen Buch „Das ist DAF“ nachlesen. Das schnelle Ende nach dem beeindruckenden Aufstieg des radikalen Duos verlief etwas unschön. Seinerzeit wenig beachtet waren die beiden aus heutiger Sicht gar nicht uninteressanten Soloalben der beiden von 1983. Es folgte 1985 eine kurzzeitige Reunion für ein mittelmäßiges, um nicht zu sagen überflüssiges Album. Robert Görl verschwand daraufhin für Jahre in ein thailändisches Kloster, Grund war ein schwerer Autounfall. Nicht so bekannt ist, dass er damals, 1986, auf dem Weg ins Studio war, um die Vocals für sein fast fertiges zweites Soloalbum aufzunehmen. Das erschien wegen des Unfalls nicht und wird erst jetzt in dieser unfertigen Form als instrumentale „The Paris Tapes“ veröffentlicht. Die Musik hat ganz im Gegensatz zu DAF etwas Getragenes, fast Verträumtes in typischem 80er Soundgewand, das aber eher wie eine sentimentale Erinnerung an die 80er Jahre klingt. Unfertig – ja, aber wer weiß, ob die Vocals diese flauschige Wirkung nicht gestört hätten (Grönland).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
All die Frauen und Prince
Zwei Musikbücher widmen sich Sex, Körper und Gender im Rock ‚n‘ Roll – Popkultur 06/20
Live und After-Life
Überirdische Reunionen und Rituale – Kompakt Disk 12/19
Original und Kopie - Fünfmal Pop-Auslese
Pop als Referenzmaschine – Kompakt Disk 08/19
Gegenwart und Vergangenheit
Neue Elektronik und ein Rückblick auf Woodstock – Kompakt Disk 07/19
Krautpop und Krauthop
Glänzender Pop und deutsche Reime – Kompakt Disk 05/19
Retrospektiven in Ton und Wort
1000 Jahre und ein halbes Leben Musik – Kompakt Disk 04/19
Klarer Kurswechsel
Wunderbar verschlungene Bandbiografien – Kompakt Disk 03/19
Zarte Kraft
Neue Musik aus Ghana und Mali und ein Buch über Nico – Kompakt Disk 02/19
Für die Bäume
Musik mit Naturassoziationen – Kompakt Disk 12/18
Zarte Geister und suizidaler Horror
Seelenzustände in Musikform – Kompakt Disk 10/18
Stadtmusik und Waldmusik
Von betörendem Rock und betäubendem Pop – Kompakt Disk 05/18
Faszination Popstar
Bühnenfiguren zwischen Rap, Rock und Elektronik – Kompakt Disk 01/18
Pessimistische Gewürzmädchen
Maustetytöt im Düsseldorfer Zakk – Musik 11/24
Komm, süßer Tod
„Fauré Requiem“ in der Historischen Stadthalle Wuppertal – Musik 11/24
Konfettiregen statt Trauerflor
Sum41 feiern Jubiläum und Abschied in Dortmund – Musik 11/24
Erste Regel: Kein Arschloch sein
Frank Turner & The Sleeping Souls in Oberhausen – Musik 10/24
Eine ganz eigene Kunstform
Bob Dylan in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle – Musik 10/24
Psychedelische Universen
Mother‘s Cake im Matrix Bochum – Musik 10/24
Sich dem Text ausliefern
Bonnie ,Prince‘ Billy in der Essener Lichtburg – Musik 10/24
Improvisationsvergnügen
Das Wolfgang Schmidtke Orchestra in der Immanuelskirche – Musik 09/24
Essen-Werden auf links drehen
Cordovas im JuBB – Musik 09/24
Rock ‘n‘ Roll ohne Schnickschnack
Gene Simmons und Andy Brings in der Turbinenhalle Oberhausen – Musik 08/24
Vielfalt, Frieden und Respekt
3. Ausgabe von Shalom-Musik.Koeln – Musik 07/24
Die Ruhe im Chaos
Emma Ruth Rundle in Bochum und Köln – Musik 07/24
Musikalische Feier
Markus Stockhausen Group im Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden – Musik 07/24