Im Corona-EM-Sommer 2021 urlaubten wir in Ostfriesland. In Schleswig-Holstein ging damals mehr als anderswo, und auf einem Gulfhof in Holtland trat das uns damals noch unbekannte Otto Groote Ensemble auf. Mit ihnen verbinde ich auf ewig den ersten satten Live-Akkord nach 16 Monaten Musikhören im Zimmer.
Einen Ehrenplatz in weiteren Livemusik-Herzen haben die drei sicherlich am vergangenen Freitag im Bochumer Kulturrat errungen. Dabei hätte das Konzert um ein Haar nicht stattgefunden, der Vorverkauf lief schlecht. Doch die Kulturrat-Macher beharrten auf dem Abend, mit Erfolg: Am Ende kommen doch mehr Leute als erwartet.
Wie im FLug
„Ik bün tohuus in't blaue Lücht van d' Nörden“ singen und spielen Songschreiber Otto Groote, der exquisite Leadgitarrist und Begleitvokalist Matthias Malcher und, wunderbar einfühlsam, Bassgitarrist Ralf Strotmann im ersten Song des Abends, „Iesmeerwellen“. Nicht nur der weiße Schwan aus dem Lied, auch das aufmerksame Publikum fliegt mit, „an d' Noordmeerstrand“. Country, Folk und Bluegrass spürt man im Spiel der Band, es klingt warm, gekonnt und lässig, und Grootes sonorer Gesang erinnert in manchen Momenten an einen anderen, bekannten Wahlfriesen: Hannes Wader. „Iesmeerwellen“ war auch Grootes erster Song überhaupt, vor fast 20 Jahren geschrieben, nachdem er sich endgültig dazu entschieden hatte, die Musik in den Mittelpunkt seines Lebens zu stellen.
Vor dem Himmel
Zwischen den abwechselnd auf Platt, Englisch und Hochdeutsch gesungenen Liedern erzählt der Wahl-Bremer, wie für ihn Gesellschaft, Sprache(n), Musik und Biographie zusammenhängen. Und dass es trotz seines Schwerpunktes auf „Nordlandliedern“ wieder nötig ist, politische Lieder zu singen. In Bochum spielen sie so u.a. die Arbeiterhymne „Aragon Mill“ des US-Songwriters und Aktivisten Si Kahn und „Edelweißpiraten“, im Original von Lilienthal, zudem einen ganzen Schwung neuer Lieder, die auf ihrer fünften und neuesten Studio-CD im nächsten Jahr offiziell erscheinen werden. Eins der schönsten, wesentlich vielschichtiger als der Titel erst vermuten lässt, ist von Malcher geschrieben: „Ich denk immer nur an dich“.
Der berührende und seelenwärmende Abend im Bochumer Norden endet, wie er begann, mit einem älteren Groote-Song: „Heven is för de Engels“. Der Himmel ist für die Engel – doch da steht noch das Leben davor.
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