Reizarmut öffnet die Sinne. Minimalistisch wie in einem Kaurismäki-Film geht es in der Goldkante in Bochum-Ehrenfeld zu, in die rund hundert Leute drängen. Nur ganz hinten an der Wand lassen sie noch etwas Platz für Drumset, Keyboard, Verstärker, Effektgeräte – und die Band, die zwischen all dem balancieren und agieren wird: Suzan Köcher's Suprafon, deren drittes Album im Oktober erschien („In these Dying Times“). Als Köcher etwa zur Hälfte des Konzerts den Titelsong daraus ankündigt, beklagt sie die Zunahme von gesellschaftlicher Spaltung und Hass, wünscht sich allgemein „mehr Gemeinschaft – so wie heute“, und dann werden wieder, wie den ganzen Abend schon, die Trümmer dieser Zeit weggetanzt und weggespielt.
Psychedelisch
„Psychedelic Dream Pop Disco“ nennen Suprafon selbst ihren musikalischen Ansatz, und das trifft es schon ganz gut, wenn auch unzureichend: Folk Rock scheint noch immer auf, eine Prise French Pop (sie covern, extrem rockig, Francoise Hardy's „Le temps de l'amour“ von 1962), dann wieder die treibende Live-Energie von, oh ja, Led Zeppelin, und manchmal erinnert so etwas wie das einfache und effektive Riff zu „Living in a Bad Place“ an Black Sabbath.
Vier eigene Stimmen, vereint
Für all das brauchst du einen expressiven Drummer, sie haben ihn: Dale Lohse, sehr druckvoll zusammenspielend mit Janis Rosanka am Bass. Und du brauchst einen Gitarristen der Extraklasse; einer reicht, wenn er Julian Müller heißt. Der Mann (Co-Produzent, -Songwriter und -Arrangeur) ist sein eigenes Gitarrenduell, sein Live-Spiel eine Ohren- und Augenweide. Suzan Köcher, im Glitzerdress und mit maskenhaft geschminkter Augenpartie, singt zwischen Shouten und Flüstern und spielt dazu Gitarre, Percussion oder spaciges Keyboard – sie ist das Zentrum dieser Performance, um das herum sich die Band austoben kann.
70er-Futurismus
In diesen Arrangements stecken enorm viel Tüfteleien, die Suprafon weit aus dem vorherrschenden Instant Pop herausheben und das Publikum auf intelligente Art wie mühelos mitreißen. Mehr Gemeinschaft geht gerade nicht. Es ist ihr ganz eigenes Gemisch, das so entsteht, ein futuristischer Sound, von den 70ern her gedacht. Der klingt in der winzigen, nur äußerlich kargen Goldkante wild, sehr laut, und dabei so klar und schön wie der Sternenhimmel aussieht, auf dem beseelten Nachhauseweg durchs Viertel.
Letzte Tourtermine: 7.12. Rüsselsheim, 12.12. Dortmund, 13.12. Braunschweig.
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