Diese Redewendung fällt, wenn etwas Unerhörtes, etwas gar Empörendes geschieht: „Ich glaub‘, mein Schwein pfeift“. So etwas Unerhörtes ist etwa die Vorhersehbarkeit, aber Vermeidbarkeit von Pandemien durch Zoonosen. Ein Grund dafür: das tagtägliche sowie globale Zusammenpferchen und Schlachten von Lebewesen wie Schweinen für einen permanenten Fleischkonsum. Die Massentierhaltung führt damit nicht nur zu arbeitsrechtlichen Schweinereien wie z.B. in der Tönnies-Schlachterei, sondern eben auch zur pandemischen Gefährdung aller.
Wie kann es also sein, dass durch eine ungezügelte Massentierhaltung weitere Zoonosen, Pandemien und damit schließlich ein weiterer gesellschaftlicher Kollaps riskiert wird? Und warum schlachtet und schreddert der Homo sapiens überhaupt Lebewesen wie Schweine oder Küken, während er zuhause mit Hunden und Katzen schmust? Der Sozialwissenschaftler Marcel Sebastian beschäftigt sich mit genau dieser Soziologie der Mensch-Tier-Beziehung in unzähligen Publikationen. Darin widmete er sich den kulturellen Konstruktionen dieses ambivalenten Verhältnisses, den Fragen, ob das Lebewesen als jemand oder etwas eingeordnet wird, ob es auf dem Sofa oder auf dem Teller landet. In seinen wissenschaftlichen Beiträgen ging es dagegen etwa um die tödliche Effizienz von kapitalistischer Fleischproduktion oder um umstrittene Shoah-Vergleiche.
Für seine Dissertation forschte Sebastian auch in Schlachthöfen. Dort analysierte er, wie Schlachter damit umgehen, tagtäglich Tiere töten zu müssen – sicherlich, um als Lohnabhängige selbst überleben zu können. Der Promotionsstipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung gründete an der Universität Hamburg die Group for Society and Animals Studies. Anschließend zog es ihn an die TU Dortmund, wo auch Nicole Burzan als Professorin sowie Dekanin mit einem Forschungsfokus auf Themen wie die soziale Ungleichheit oder Methoden der empirischen Sozialforschung tätig ist.
Beide stehen in der Lesung und Diskussion im Dortmunder U auf der Bühne. Die Veranstaltung ist nach Sebastians zuletzt erschienenem Buch benannt: „Streicheln oder Schlachten. Warum unser Verhältnis zu Tieren so kompliziert ist – und was das über uns aussagt.“ Dieser Abend verspricht also Aufklärung über eine Mensch-Tier-Beziehung, in der sich die kapitalistischen Widersprüche wie in einer Monade zu bündeln scheinen.
Kleiner Freitag: Streicheln oder Schlachten. Warum unser Verhältnis zu Tieren so kompliziert ist – und was das über uns aussagt | 6.7. 19 Uhr | Dortmunder U | Anmeldung per Mail an kleinerfreitag@stadtdo.de | www.dortmunder-u.de
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