Essen, 10. Oktober – Die Lichtburg Essen feierte ihr 85jähriges Bestehen und wartete in diesem Rahmen ganz in ihrer Tradition als Premierenkino, in dem schon Romy Schneider und Zarah Leander aufliefen, mit Deutschlandpremieren samt roten Teppich für die Filmschaffenden auf. An dem schönen sonnigen Donnerstagnachmittag sollte der Film „Sein letztes Rennen“ von Kilian Riedhof vorgestellt werden. Am Eingang der Lichtburg drängten sich Kinogänger und – wie so oft bei prominentem Besuch – Schaulustige um den roten Teppich, bewaffnet mit Smartphones und Kompaktkameras, um einmal den Star des Dramas, ihren „Didi“, vor die Linse zu bekommen. Doch „Didi“ kam nicht, stattdessen kam Dieter Hallervorden. Passenderweise mit Turnschuhen bekleidet hastete er über den Teppich in die Lichtburg, winkte einmal freundlich und verschwand zum Journalistengespräch.
Dieter Hallervorden läuft in die Lichtburg ein. Foto: LIsa Mertens
Dort machte er auf entschiedene Weise deutlich, dass „Didi“ lediglich eine Kunstfigur und er mehr als „Palim-Palim“ sei. Überhaupt gab sich Hallervorden im Gespräch mit den Journalisten kurz angebunden und antwortete teils unwirsch auf Fragen, die ihm zu blöd erschienen. Ja, er habe viel trainiert, Laufen sei anstrengend gewesen und ja, er habe auch abgenommen. Aber nein, die Rolle des in die Jahre gekommenen Paul Averhoff habe nicht sein Leben verändert. Wenn er für einen Film in die Rolle eines Friseurs schlüpfte, würde er sich doch auch nicht von da an selbst die Haare schneiden, machte Hallervorden unmissverständlich klar. Rolle ist also Rolle. Doch, fügte der Kabarettist und Schauspieler etwas milder an, es gebe tatsächlich eine Übereinstimmung zwischen der Rolle und seiner Person. Auch er würde niemals aufgeben. Bei dieser einzigen die Erwartung erfüllenden Antwort blieb es dann aber. Den Fragen zu seinem Verhältnis zum Ruhrgebiet, Essen und der Lichtburg speziell setzte er ganz nüchtern und ohne falsche Höflichkeit ein paar Hotel- und Restaurantbesuche entgegen. Hallervorden hat nun einmal keine Verträge mit dem Ruhrgebiet, warum also Ruhrpottromantik heucheln.
Im ausverkauften Saal der Lichtburg wusste Hallervorden mit seinem Spiel die hauptsächlich älteren (über Mitte 60) Zuschauer in den Bann zu ziehen. Zustimmendes Nicken bei der Weigerung des Protagonisten Paul Averhoff, das teils unwürdige Motivationsprogramm im Altenheim mitzumachen. Momente der Traurigkeit, wenn Paul Averhoff den Tod seiner langjährigen Gefährtin und Ehefrau nicht überwinden kann. Aufatmen und ein Gefühl von „jetzt zeigen wir es euch aber“, wenn Averhoff allen Widrigkeiten zum Trotz wieder losläuft und die anderen Bewohner des Altenheims aus der Lethargie reist. Der Film wurde in der Lichtburg gefeiert, was sowohl den Regisseur Kilian Riedhof als auch Dieter Hallervorden, der sich nun ganz entspannt zeigte, sichtlich freute.
Der Regisseur Kilian Riedhof betonte nach der Vorstellung, dass er sich bereits vor sieben Jahren auf Hallervorden als Protagonisten eingeschossen habe und daher erleichtert war, dass dieser den Film trotz des gehörigen Vorbereitungsprogramms für lohnenswert erachtete. Er wollte mit dem Thema des Älterwerdens und des Umgangs mit dem Alter einen relevanten Stoff spielen, bemerkte Hallervorden, nun doch persönlicher. Er selbst bevorzuge auch jetzt noch den Unruhestand. Alt sei man erst, wenn man seine Ideale aufgebe. Diese Aussage fand im Publikum applaudierenden Zuspruch.
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