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Foto: A. Köhring, © Theater an der Ruhr

Ibsen im syrischen Knast

17. November 2022

„Up there“ am Theater an der Ruhr – Prolog 11/22

Am zweiten Advent-Wochenende könnte man sich ja einmal – und das ist angesichts des politischen Aufbegehrens im Iran überaus zeitgenössisch – mit der politischen und sozialen Verfasstheit der arabischen und europäischen Welt befassen. Im Mülheimer Theater an der Ruhr residiert zurzeit das Collective Ma’louba, eine multinationale Künstler:innen-Plattform, die genau diese thematische Relevanz verfolgt.

Sie zeigen an diesem „feierlichen“ Wochenende „Up there“ von Wael Kadour. Die Koproduktion wird inszeniert von Mohamad Al Rashi und dem syrischen Autor, der auch selbst mitspielt, denn sein Stück handelt nicht nur von den Schwierigkeiten des Schreibenden im Exil, sondern auch von den Problemen, dokumentarisch über wahre Begebenheiten zu berichten, die sich in einem syrischen Frauengefängnis in den Neunzigerjahren zugetragen haben. Für das Projekt erhielten die beiden 2021 einen der begehrten Ibsen Scope Grants. Was hat Henrik Johan Ibsen (1828-1906), der norwegische Dramatiker und Lyriker, mit Syrien zu tun?

1991 führte eine Gruppe oppositioneller Frauen im Frauengefängnis in Damaskus ein Theaterstück auf: ausgerechnet Ibsens Stück „Die Frau vom Meer“, in dem auch das absolute Selbstbestimmungsrecht von Frauen verhandelt wird. Dies rief natürlich die Aufmerksamkeit des Regimes auf den Plan, das die Autorität der Gefängnisverwaltung herausgefordert sah und versuchte, die Aufführung zu unterbinden. Aber die Aufführung fand statt. Als die Frauen dann entlassen wurden, wurde ihnen verboten, über ihr jahrelanges Martyrium im Folterknast zu sprechen. 2011, mit Beginn der syrischen Revolution, verließen sie das Land in Richtung Frankreich, wo Wael Kadour sie traf und interviewte. Aus diesem Material entstand ein dokumentarischer, dramatischer Text, der anhand der fiktiven künstlerischen Zweifel des Autors an sich selbst, die Biografien der Frauen thematisiert, deren Leiden mit der Flucht ja nicht beendet war. Aber auch die Fragen nach der Dualität zwischen den Frauenfiguren aus Ibsens Theaterstück von 1888 und dem Aufbegehren der Kämpferinnen in den 90ern des vergangenen Jahrhunderts bis hin zu denen in Teheran heute, sind implementiert. Das alles in arabischer Sprache mit deutschen Übertiteln, was den authentischen Bezug zwischen arabischer und europäischer Welt auf keinen Fall schmälert.

Up There | So 3.12. (P) 19.30 Uhr & Sa 4.12. 18 Uhr | Theater an der Ruhr, Mülheim | www.theater-an-der-ruhr.de

Peter Ortmann

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