Stillstand. Leere Ränge. Verwaiste Logen. Lange genug litten die Theater unter dem Virus. Jetzt geht es langsam wieder los. „Language is a virus“ sang einst Laurie Anderson. Sprache als infektiöse organische Struktur? Im Theater an der Ruhr reflektiert man die aktuelle Pandemie in der neuen Saison mit einem Text des Russen Vladimir Sorokin (66), der als einer der schärfsten Kritiker des politischen Machtsystems in seinem Geburtsland gilt. „Violetter Schnee“ heißt das postmoderne Konstrukt, in dem fünf Menschen zwischen Hoffnung und Vergehen pendeln und das Roberto Ciulli in Mülheim selbst inszenieren wird: „Die Welt ist erschüttert“, sagt Sorokin mit Blick auf die Epidemie. Das Virus habe die Menschen in die Isolation getrieben. Und so geht es seinen Protagonisten im Stück auch, die irgendwo auf dem Land in einem eingeschneiten Haus hocken und das zu fünft.
Metapher für die Pandemie
Was die Situation dabei immer prekärer macht, sie können es nicht mehr verlassen, hoffen auf Hilfe von außen, verfeuern bereits Möbel und Bücher und draußen türmt sich der Schnee. Immer höher, die Welt versinkt im Nichts. Die unterschiedlichen Naturen brechen langsam durch die Stille, Resignation gegen die Monotonie des Daseins in immer gleichen Strukturen. Interaktionen vergehen, zusehends schwerer fällt allen die Fähigkeit, sich mitzuteilen und ein gemeinsames Ziel zu definieren. Wie sollte das auch passieren, wenn draußen die Schneeverwehungen immer höher werden und die Nachrichten im Radio einen Untergang Europas, ja der ganzen Welt vermuten lassen. Wird da die Hoffnung noch eine Chance bieten? Die Ungewissheit ist der Stachel, der in der Gruppe steckt und sie bis zum letzten violetten Aufleuchten des Schnees verführt. Die Sprache ist da längst verloren, die Sonne noch lange nicht. Wer wird sich dem Nichts beugen, wer wird resignieren? Man darf gespannt sein, wie und mit wem Roberto Ciulli das Drama einer still stehenden Zeit als Metapher für das zeitgenössisch Pandemische im September auf die Bühne bringt.
Violetter Schnee | 3.(P), 4., 8.-10, 17., 18.9. je 19.30 Uhr, 5., 12.9. je 18 Uhr | Theater an der Ruhr, Mülheim | 0228 599 01 88
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