Es gab Zeiten im Ruhrgebiet, da zitterten die Stadttheater vor einem großen Festival, das nicht nur Unsummen an Steuergeldern verschlang, sondern auch das zahlende Publikum in Beschlag nehmen würde. Immer nach Ende der Sommerferien begann das große, geweihte Treiben der Ruhrtriennale, die einst gegründet wurde, um die teuer restaurierten Reste der einstigen Industrie mit Kultur zu finanziell zu unterhalten. Anfangs verlegten viele Stadttheater ihre Premieren nach hinten, diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei.
Mitten hinein in die Ruhrtriennale-Saison startet das Mülheimer Theater an der Ruhr mit einem „Ödipus“ (23.8., Theater an der Ruhr, Mülheim a.d. Ruhr), der auf einer forensischen Suche nach sich selbst ist. Auch das Schlosstheater Moers, das Theater Oberhausen und das Schauspielhaus in Bochum wollen das Ruhrfestivalende nicht abwarten, in Bochum warten sie lieber schon Anfang September im Theater auf Samuel Becketts „Godot“ (6.9., Schauspielhaus Bochum) – obwohl, auf den musste das überregionale Publikum schon den ganzen Sommer warten, denn eigentlich sollte seine Premiere bereits Mitte Mai stattfinden. Die Sommernacht der Nächte findet in Moers in einem Athener Wald statt, Ulrich Greb inszeniert Shakespeares Liebeskomödie zum Teil auch im Schlosspark mit dem besonderen Zauber der „blauen Stunde“ (5.9., Schlosstheater Moers).
Im September gibt es auch wieder einmal einen Freitag, den 13. – Tempelritter- oder Börsencrash, die Gelehrten streiten sich noch, welcher 13. Oktober, also 1307 oder 1929, Ursache des bösen Mythos sein könnte. In Dortmund und Essen kümmert sich an den Theatern scheinbar niemand um diese Diskussion – zu Recht. „Der Dämon in dir muss Heimat finden“ heißt die passende Uraufführung der Selbstoptimierungs-Groteske von Lola Fuchs im Dortmunder Studio an diesem Tag (13.9.). Auch im Essener Grillo Theater scheint es eine merkwürdige Verbindung zum so genannten Unglückstag zu geben. Der Filmemacher Hakan Savaş Mican inszeniert dort den 2018 wiederentdeckten Roman „Der Reisende“ (1939) von Ulrich Alexander Boschwitz, der darin als 23-Jähriger die deutsche Selbstbefindlichkeit und Lebenswirklichkeit während der NS-Zeit beschreibt (13.9.). Bei der Ruhrtriennale zeigt das Norwegische Nationaltheater an diesem Tag die Premiere von Edvard Griegs einzigem Liederzyklus „Haugtussa“ als Musiktheater (13.9., Jahrhunderthalle Bochum).
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