Während die Theaterwelt in diesem Monat den 450. Geburtstag von William Shakespeare (1564-1616) rauf und runter feiert, wird sich so mancher Kleinkünstler fragen, welchen Einfluss der englische Lustspiel-Autor auf sein Schaffen und damit auf seine Existenz besitzt: Schließlich hat er dem Narren einen großen Platz in seinem Werk eingeräumt: Beispielsweise in „Was ihr wollt“, „Wie es euch gefällt“ oder „König Lear“. Ist der Comedian nicht der würdige Nachfahre des weisen Hofnarren, der seinem Herrn die Wahrheit unterjubelt, der Unbotmäßiges von sich gibt, keinen Respekt vor nix hat und geliebt wird, weil er seine Zuhörer zum Lachen bringt? Klar doch: „Denn immer ist die Albernheit des Narren der Schleifstein der Witzigen“, so Celia. Wobei sie damit andeutet, dass der Einfaltspinsel dem Witzbold die Grundlage für seine originellen Einfälle liefert.
Kein Geringerer als Johann Wolfgang Goethe hat 1771 in einer Rede zu Ehren des großen Kollegen gesagt: „Shakespeares Theater ist ein schöner Raritätenkasten, in dem die Geschichte der Welt vor unsern Augen an dem unsichtbaren Faden der Zeit vorbeiwallt“. Inzwischen wallen die Geschichten via Internet an uns vorüber – und so mancher fragt sich, welche Rolle er darin spielt, worüber er sich lustig machen darf und ob er für all die Anstrengungen, die man unternimmt, um ihn vom grauen Alltag abzulenken, nicht dankbar sein muss. Auch da liefert uns Shakespeare eine schöne Antwort: „Wir sind vom gleichen Stoff, aus dem die Träume sind und unser kurzes Leben ist eingebettet in einen langen Schlaf.“
Zwei, die „Wirrklichkeit“ ganz neu definiert haben, sind Ulan & Bator. Genauer: Frank Smilgies und Sebastian Rüger beleuchten das, was man gemeinhin unter Realität versteht, aus unterschiedlichen Blickwinkeln, entdecken dabei befremdliche bis bekloppte Erscheinungen, die sie – am 12.4. im Dortmunder Cabaret Queue – singend und tanzend, pantomimisch und lautmalend konterkarieren. „Alles passiert – nichts wird erklärt“, was da aus freier Improvisation entsteht, ist mehr als erstaunlich. Und bringt den Kopf des Betrachters ganz schön in Wallung, wenn nicht gar um den Verstand. Den braucht man an diesem Abend nicht im herkömmlichen Sinn. Vielmehr die Fähigkeit, seine Gedanken auf eine Reise durch das – in diesem Fall ziemlich abgefahrene - Wunderland der Phantasie zu schicken.
Auf wesentlich andere Gehirnregionen zielt dagegen Serdar Somuncu: Der 1968 in Istanbul geborene Kabarettist, Schauspieler, Autor und Regisseur ist ein Ausbund an Energie und Vitalität, ein unerschütterlicher Kämpfer gegen jedwedes Mittelmaß und einer der seltenen Performer, die das Publikum tatsächlich überraschen. Zum Beispiel mit flächendeckenden Beleidigungen: Kabarett müsse wie ein Schlag in die Fresse sein, erklärt er, brutal und ehrlich. Böse Wörter kullern aus seinem Mund wie bei einem kleinen Jungen, der das Entsetzen im Gesicht von Oma und Opa provozieren möchte – und dabei seine diebische Freude hat. „Hassprediger reloaded“ heißt das Programm, mit dem er am 1.4. die Grugahalle in Essen in einen Hexenkessel verwandelt, in dem alle schmoren werden, die die Wahrheit über das Wesen Mensch nicht ertragen.
Auf die Frage, was er mit seinem Programm namens „Passion“ provozieren wolle, antwortet Timo Wopp, da komme einer auf die Bühne, der sich selbst um Kopf und Kragen coache: „Das ist die Idee dahinter. Der Übergang ist fließend, so dass sich mancher fragt, ob ich das ernst meine oder nicht? Dabei ist jeder Satz eine kleine Selbstdemontage. Zu Beginn steht da ein Typ, der die Lösung für alles zu haben scheint. Das ist die arrogante Art, auf der der Humor basiert. Daran zerbricht der Typ dann Stück für Stück.“ Diese beeindruckende Form des seelischen Striptease kann man am 3.4. im Hagener Hasperhammer erleben – ein Abend, den man so schnell nicht vergisst. Schwört hoch und heilig die stets über Tage lebende
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