Patrick Bateman (Felix Lampert) ist kein Geschöpf wie wir, das ist schon ganz zu Beginn klar: Sein geölter Körper strahlt im grünen Licht, rutscht, über Gesichtsmasken und Kosmetik reflektierend, auf der shampoonierten Klarsichtfolie hin und her als gäbe es nichts leichteres.
In Hans Drehers „American Psycho“-Inszenierung im Rottstr 5 Theater werden viele Interpretationen der Kultfigur Patrick Bateman durchdekliniert: der Sexgott und Gewinnertyp, der wahnsinnige Harlekin, das um Liebe ringende Kleinkind.
Auf die sehr zeitgeistige Deutung von Bret Easton Ellis’ Horror-Yuppie als bösen Banker verzichtet Dreher: „Was uns interessiert hat, ist die Tatsache, dass sehr erfolgreiche Menschen oft sehr böse Fantasien haben“, sagt der Regisseur.
Und Bateman ist erfolgreich: reich an Geld, an Frauen und an freier Zeit – die er irgendwann damit verbringt, erst Fremde, dann Bekannte und später auch Liebschaften abzuschlachten – ohne große Leidenschaft, bestenfalls amüsiert, schlimmstenfalls mit leichtem Ekel. Wobei offen bleibt, zumindest in der Romanvorlage von Ellis, was davon Batemans Fantasie und was Realität ist. „Ist das Böse etwas, was man ist? Oder ist es das, was man tut?“, lautet demnach auch die Leitfrage des Stückes. „Das Theater hat – im Gegensatz zum Film – den Riesenvorteil, dass es Träume zeigen kann, ohne sie direkt als solche kenntlich zu machen“, sagt Dreher. Im Theater bleibe vieles unsicher.
Und so versucht die Inszenierung, die sich an Film und Romanvorlage bedient, nicht, das Phänomen Bateman analytisch auseinander zu nehmen, sondern inszeniert die Kultfigur zunächst in all ihrer Coolness: Die Auswahl der Mordwerkzeuge gestaltet sich wie das Einkleiden eines Models, die Entscheidung zwischen Axt und Machete gleicht der zwischen zwei Outfits. Sämtliche weibliche Rollen werden von Ronja Sczepanski gespielt denn – hey, was unterscheidet all die Flittchen schon? Für den Protagonisten nichts, wenn er wie ein Raubtier seine Beute über die Plastikfolie wegschleift.
Auf geschickte Weise wird der Zuschauer so in eine Falle gelockt: Man kann gar nicht anders, als den herzlosen Psychopathen irgendwie cool zu finden, was nicht zuletzt auch an der Darbietung von Felix Lampert liegt. Man lacht gemeinsam mit Bateman von da oben die da unten aus, versteht gar die Aggressionen gegen seine Schickeria-Kollegen.
Doch ganz zum Schluss gibt Dreher die Kultfigur der Lächerlichkeit preis: In einem Meer aus Ballons springt Lampert umher, lässt seine ungezügelte Aggression mit Messer bewaffnet am Plastik aus. Der kleine Patrick Bateman möchte bitte aus dem Kinderparadies abgeholt werden – das es keiner tut, macht den Reiz der Inszenierung aus.
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