Noch bis kurz bevor die ersten Töne von den Bühnen schallten, war ungewiss, ob sich die Rückkehr des Festivals Bochum Total klamm und verklemmt gestalten würde. Den ganzen Tag hing eine undurchdringliche graue Wolkendecke über Bochum. Doch pünktlich zum Auftakt am Donnerstag um 17 Uhr brach sich die Sonne Bahn und sorgte für die richtigen Rahmenbedingungen für einen gelungenen Festivalauftakt. Nach Polizeiangaben haben an diesem Tag 70.000 Menschen die vier Hauptbühnen und zahlreichen Nebenschauplätze in der Bochumer Innenstadt besucht. „Eine vorsichtige Schätzung“, sagt Veranstalter Marcus Gloria.
Den ersten Slot auf der größten Bühne, der WDR 1Live-Bühne auf der großen Kreuzung von Viktoriastraße und Südring, machte Pablo Brooks, ein 19-jähriger Newcomer im Synthie-Pop-Bereich aus Düsseldorf. Seine Lieder laden zum Tanzen oder zum romantischen Schwelgen ein. Oder zu beidem.
Geht man den Südring entlang Richtung Hauptbahnhof, präsentiert sich dort nach ein paar hundert Metern, die gesäumt sind von Merchandise-, Essens- und Getränkeständen, die Ringbühne. Diese ist traditionell für Rock-, Metal und Artverwandtes reserviert. Hier ging das Festival mit Xela Wie los. Der Rapper verbindet Hiphop mal mit Punk, mal mit Rock, und schreckt auch vor aufwändigeren Elektronik-Parts nicht zurück.
Die kleinste der Hauptbühnen ist die Sparkassenbühne am Konrad-Adenauer-Platz (kurz KAP), am anderen Ende des Bermuda3ecks, der Bochumer Kneipenmeile. Auf diesem Platz steht das ganze Jahr über eine moderne Konzertmuschel und bei Bochum Total ist sie wohl am präsentesten. Hier eröffneten die Synth-Rocker und -Rockerinnen von Unplaces das Festival. Sichtlich gut gelaunt und in Spiellaune. Noch kurz vor 17 Uhr war das KAP – wie der Rest des Bermuda3ecks – relativ leer, doch sobald die Band angefangen hat zu spielen, erschienen binnen Augenblicken so viele Menschen, dass das KAP gut gefüllt war – zwar noch mit Anstands- (oder Hygiene-) Abstand, aber immerhin.
Für mehr Lockerheit im Allgemeinen
„Kennt ihr das? Ihr seid auf einem Konzert oder im Club und ihr möchtet tanzen, aber ihr traut euch noch nicht?“, fragt Sängerin Dorette zwischen zwei Songs. „Dann trinkt ihr erstmal ein Bier. Dann kommt der nächste Song und ihr traut euch noch immer nicht. Lieber noch ein Bier. Und irgendwann ist der Abend vorbei und ihr habt gar nicht getanzt. Darum: Tanzt lieber direkt, bevor ihr bereut, gar nicht getanzt zu haben!“ Eine tolle Ansage für mehr Lockerheit im Allgemeinen. Auf der wörtlichen Ebene kamen einige Menschen im Publikum der Tanzaufforderung gerne nach.
Insgesamt stand hier eine relativ große Dichte an Menschen aus der „schwarzen Szene, also Gothics im weitesten Sinne. Der Synthiesound von Unplaces erinnert eben auch an Depeche Mode und noch Düstereres. Generell ist mein Eindruck, dass Bochum Total dieses Jahr weniger von offensichtlich alternativen Menschen – Punks, Metalheads, Gothics etc. – besucht wurde. Trotz hohem Pop-Anteil hat das Fest aber immer noch viel Entsprechendes zu bieten.
Beispielsweise rockte Deine Cousine die Ringbühne mit ihrer ungezügelten Energie. Die Newcomerin aus Hamburg nutzte die ganze Bühne, um ihren Punkrock in die Welt hinauszusingen. Dabei war ihr Gesang zunächst nicht zu hören, auch einige Instrumente hatten das erste Lied noch mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Doch schnell waren diese behoben und der Rock konnte weitergehen. Die Künstlerin bedankte sich bei dieser Gelegenheit bei der Band Olympya – deren Auftritt musste leider abgesagt werden; die technischen Probleme bei ihnen konnten anscheinend nicht rechtzeitig gelöst werden. Stattdessen halfen Olympya und ihr Team so weit mit, dass immerhin Deine Cousine spielen konnte; und auch an die Leute von der Alex Mofa Gang, die Headliner auf der Ringbühne an diesem Tag, ging ein Dank raus.
Klare Statements und Wohlfühlmusik
Die Alex Mofa Gang dann hat den Platz vor der Ringbühne schon kräftig gefüllt und zum Kochen gebracht. Circle Pits entstanden im Publikum und der Sänger der Band surfte auf der Menge und kletterte an Laternen empor. Und immer wieder betonte die Band, dass es auf Bochum Total (und überhaupt) keinen Platz für Nazis gäbe. „Wir teilen euch jetzt auf“, rief er ins Publikum. „Ihr seid die linke Seite, und ihr … seid die andere linke Seite. Weil wir hier keine rechte Seite haben wollen!“
Weniger politisch und wild, dafür gefühlsbetonter, aber ebenfalls gutgelaunt war die Stimmung auf und vor der 1Live-Bühne. Mit ihrem mit Rock- und Hiphop-Elementen versetzten Pop zauberte Esther Graf vielen weiblichen Teenagern ein Lächeln ins Gesicht. Sie konnten mitfühlen, wovon die gebürtige Österreicherin sang. „Mich hat echt gefreut, wie viele Leute mitgesungen haben“, sagte die Sängerin im Interview mit dem trailer und fügte augenzwinkernd hinzu: „Da habe ich mich gefragt: Sind in Bochum meine Fans zu Hause?“ „Ihr merkt, ich mag meinen Ex nicht besonders“, hieß da eine Ansage, die wie Esthers gesamter Auftritt so lässig wie natürlich rüberkam – und das, obwohl die Wahlberlinerin überrascht war von der Größe des Festivals. „Hätte ich gewusst, wie groß das hier ist, wie viele Leute hier sein werden, dann hätte ich heute schlechter geschlafen.“ Die Leute im Publikum musstenzwar erst ein wenig warm werden, sagte die extrovertierte Künstlerin dem trailer, aber „es macht Spaß zu sehen, wie sie sich von Song zu Song wohler fühlen“. Nach dem Auftritt stand sie einigen Fans neben der Bühne noch für Fotos zur Verfügung und freute sich auf den Auftritt von Amilli.
Amilli war schon mit AnnenMayKantereit auf Tour, aber dies war ihr erster Headliner-Auftritt. Sichtlich ehrlich geehrt sprach das Gesangstalent dies auch an. Das Besondere: Es ist nicht nur ihr erster Headliner-Auftritt, sondern der fand auch noch in ihrer Heimatstadt statt! Begleitet von einer Live-Band groovte Amilli den ersten Festival-Tag in den ausklingenden ersten Abend.
Pünktlich zum Auftakt brach sich die Sonne Bahn
Die kleinste der Open-Air-Bühnen ist die trailer-bühne, die seit jeher mit einem besonderen Programm aufwartet. Anders als es der Name vermuten lässt, kommen hier aber nicht bloß Künstler des gesprochenen Wortes zu ebenjenem. Vielmehr ist das Programm hier bunt gemischt. Am Donnerstag traten hier auf: Swen O. Heiland alias Rich Kid Rebellion („pfiffige Mädchenmusik“ bzw. Akustikgitarrenmusik), Slowtide (Singer/Songwriter), Kester Crosberger (Singer/Songwriter mit Rap und Trap). Zum Programm auf „unserer“ Bühne lest ihr mehr in einem eigenen Artikel.
Nicht open air, sondern tief unter der Erde – im Alternative-Club Trompete – fand der Nachwuchs-Band-Wettbewerb Campus RuhrComer statt. Ab 19 Uhr traten vier Bands gegeneinander an: Cloud Trips (Alternative Pop), Ocean Boulevard (Indie-Pop), Youngest Member (Alternative Rock) und die letztliche Gewinnerband James’ Mum (Rock). Zwischen deren Auftritten und der Verkündung der Jury rockten The Honeyclub die Trompete. Die Gewinnerband 2020 (2021 fiel der Wettbewerb aus) wurde für ihren modern-nostalgischen Rocksound in einem rappelvollen Club gefeiert wie ein Headliner.
Noch bis kurz bevor die ersten Töne von den Bühnen schallten, war ungewiss, ob sich die Rückkehr des Festivals Bochum Total klamm und verklemmt gestalten würde. Den ganzen Tag hing eine undurchdringliche graue Wolkendecke über Bochum. Doch pünktlich zum Auftakt am Donnerstag um 17 Uhr brach sich die Sonne Bahn und sorgte für die richtigen Rahmenbedingungen für einen gelungenen Festivalauftakt. Nach Polizeiangaben haben an diesem Tag 70.000 Menschen die vier Hauptbühnen und zahlreichen Nebenschauplätze in der Bochumer Innenstadt besucht. „Eine vorsichtige Schätzung“, sagt Veranstalter Marcus Gloria.
Den ersten Slot auf der größten Bühne, der WDR 1Live-Bühne auf der großen Kreuzung von Viktoriastraße und Südring, machte Pablo Brooks, ein 19-jähriger Newcomer im Synthie-Pop-Bereich aus Düsseldorf. Seine Lieder laden zum Tanzen oder zum romantischen Schwelgen ein. Oder zu beidem.
Geht man den Südring entlang Richtung Hauptbahnhof, präsentiert sich dort nach ein paar hundert Metern, die gesäumt sind von Merchandise-, Essens- und Getränkeständen, die Ringbühne. Diese ist traditionell für Rock-, Metal und Artverwandtes reserviert. Hier ging das Festival mit Xela Wie los. Der Rapper verbindet Hiphop mal mit Punk, mal mit Rock, und schreckt auch vor aufwändigeren Elektronik-Parts nicht zurück.
Die kleinste der Hauptbühnen ist die Sparkassenbühne am Konrad-Adenauer-Platz (kurz KAP), am anderen Ende des Bermuda3ecks, der Bochumer Kneipenmeile. Auf diesem Platz steht das ganze Jahr über eine moderne Konzertmuschel und bei Bochum Total ist sie wohl am präsentesten. Hier eröffneten die Synth-Rocker und -Rockerinnen von Unplaces das Festival. Sichtlich gut gelaunt und in Spiellaune. Noch kurz vor 17 Uhr war das KAP – wie der Rest des Bermuda3ecks – relativ leer, doch sobald die Band angefangen hat zu spielen, erschienen binnen Augenblicken so viele Menschen, dass das KAP gut gefüllt war – zwar noch mit Anstands- (oder Hygiene-?)Abstand, aber immerhin.
Für mehr Lockerheit im Allgemeinen
„Kennt ihr das? Ihr seid auf einem Konzert oder im Club und ihr möchtet tanzen, aber ihr traut euch noch nicht?“, fragt Sängerin Dorette zwischen zwei Songs. „Dann trinkt ihr erstmal ein Bier. Dann kommt der nächste Song und ihr traut euch noch immer nicht. Lieber noch ein Bier. Und irgendwann ist der Abend vorbei und ihr habt gar nicht getanzt. Darum: Tanzt lieber direkt, bevor ihr bereut, gar nicht getanzt zu haben!“ Eine tolle Ansage für mehr Lockerheit im Allgemeinen. Auf der wörtlichen Ebene kamen einige Menschen im Publikum der Tanzaufforderung gerne nach.
Insgesamt stand hier eine relativ große Dichte an Menschen aus der „schwarzen Szene, also Gothics im weitesten Sinne. Der Synthiesound von Unplaces erinnert eben auch an Depeche Mode und noch Düstereres. Generell ist mein Eindruck, dass Bochum Total dieses Jahr weniger von offensichtlich alternativen Menschen – Punks, Metalheads, Gothics etc. – besucht wurde. Trotz hohem Pop-Anteil hat das Fest aber immer noch viel Entsprechendes zu bieten.
Beispielsweise rockte Deine Cousine die Ringbühne mit ihrer ungezügelten Energie. Die Newcomerin aus Hamburg nutzte die ganze Bühne, um ihren Punkrock in die Welt hinauszusingen. Dabei war ihr Gesang zunächst nicht zu hören, auch einige Instrumente hatten das erste Lied noch mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Doch schnell waren diese behoben und der Rock konnte weitergehen. Die Künstlerin bedankte sich bei dieser Gelegenheit bei der Band Olympya – deren Auftritt musste leider abgesagt werden; die technischen Probleme bei ihnen konnten anscheinend nicht rechtzeitig gelöst werden. Stattdessen halfen Olympya und ihr Team so weit mit, dass immerhin Deine Cousine spielen konnte; und auch an die Leute von der Alex Mofa Gang, die Headliner auf der Ringbühne an diesem Tag, ging ein Dank raus.
Klare Statements und Wohlfühlmusik
Die Alex Mofa Gang dann hat den Platz vor der Ringbühne schon kräftig gefüllt und zum Kochen gebracht. Circle Pits entstanden im Publikum und der Sänger der Band surfte auf der Menge und kletterte an Laternen empor. Und immer wieder betonte die Band, dass es auf Bochum Total (und überhaupt) keinen Platz für Nazis gäbe. „Wir teilen euch jetzt auf“, rief er ins Publikum. „Ihr seid die linke Seite, und ihr … seid die andere linke Seite. Weil wir hier keine rechte Seite haben wollen!“
Weniger politisch und wild, dafür gefühlsbetonter, aber ebenfalls gutgelaunt war die Stimmung auf und vor der 1Live-Bühne. Mit ihrem mit Rock- und Hiphop-Elementen versetzten Pop zauberte Esther Graf vielen weiblichen Teenagern ein Lächeln ins Gesicht. Sie konnten mitfühlen, wovon die gebürtige Österreicherin sang. „Mich hat echt gefreut, wie viele Leute mitgesungen haben“, sagte die Sängerin im Interview mit dem trailer und fügte augenzwinkernd hinzu: „Da habe ich mich gefragt: Sind in Bochum meine Fans zu Hause?“ „Ihr merkt, ich mag meinen Ex nicht besonders“, hieß da eine Ansage, die wie Esthers gesamter Auftritt so lässig wie natürlich rüberkam – und das, obwohl die Wahlberlinerin überrascht war von der Größe des Festivals. „Hätte ich gewusst, wie groß das hier ist, wie viele Leute hier sein werden, dann hätte ich heute schlechter geschlafen.“ Die Leute im Publikum musstenzwar erst ein wenig warm werden, sagte die extrovertierte Künstlerin dem trailer, aber „es macht Spaß zu sehen, wie sie sich von Song zu Song wohler fühlen“. Nach dem Auftritt stand sie einigen Fans neben der Bühne noch für Fotos zur Verfügung und freute sich auf den Auftritt von Amilli.
Amilli war schon mit AnnenMayKantereit auf Tour, aber dies war ihr erster Headliner-Auftritt. Sichtlich ehrlich geehrt sprach das Gesangstalent dies auch an. Das Besondere: Es ist nicht nur ihr erster Headliner-Auftritt, sondern der fand auch noch in ihrer Heimatstadt statt! Begleitet von einer Live-Band groovte Amilli den ersten Festival-Tag in den ausklingenden ersten Abend.
trailer-wortschatz und andere Bühnen
Die kleinste der Open-Air-Bühnen ist die trailer-wortschatz-Bühne, die seit jeher mit einem besonderen Programm aufwartet. Anders als es der Name vermuten lässt, kommen hier aber nicht bloß Künstler des gesprochenen Wortes zu ebenjenem. Vielmehr ist das Programm hier bunt gemischt. Am Donnerstag traten hier auf: Swen O. Heiland alias Rich Kid Rebellion („pfiffige Mädchenmusik“ bzw. Akustikgitarrenmusik), Slowtide (Singer/Songwriter), Kester Crosberger (Singer/Songwriter mit Rap und Trap). Zum Programm auf „unserer“ Bühne lest ihr mehr in einem eigenen Artikel.
Nicht open air, sondern tief unter der Erde – im Alternative-Club Trompete – fand der Nachwuchs-Band-Wettbewerb Campus RuhrComer statt. Ab 19 Uhr traten vier Bands gegeneinander an: Cloud Trips (Alternative Pop), Ocean Boulevard (Indie-Pop), Youngest Member (Alternative Rock) und die letztliche Gewinnerband James’ Mum (Rock). Zwischen deren Auftritten und der Verkündung der Jury rockten The Honeyclub die Trompete. Die Gewinnerband 2020 (2021 fiel der Wettbewerb aus) wurde für ihren modern-nostalgischen Rocksound in einem rappelvollen Club gefeiert wie ein Headliner.
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