„Sick of being sad“ singt Musikerin FLØRE in ihrem gleichnamigen Song. Nicht, dass es allzu viele Gründe gäbe, nach drei Tagen Bochum Total traurig zu sein, aber sicher ist sicher und so sorgt die Iserlohnerin für einen gutgelaunten Start in den letzten Festivaltag der 1Live-Bühne.
Wobei, einen Wermutstropfen haben Fans der Woodentops verschmerzen müssen: Der Flieger der Band aus Großbritannien, die schon von David Bowie mit auf Tour genommen wurde, hatte dermaßen Verspätung, dass sie einfach nicht mehr rechtzeitig in Bochum wäre. Das verkündete ein Sprecher von Bochum Total bei der Abmoderation von FLØREs Auftritt. Dafür sprängen aber ein … Kuult! Aber Moment mal, stehen die nicht eh im Line-up? Ja, doch, aber der Ansager fährt fort: „Die Jungs sagten, sie sind bereit, sie sind heiß drauf und spielen darum gerne zwei komplette Sets!“ Und so geschah es – das Pop-Trio aus Essen spielte gut doppelt so lang wie vorgesehen! Ein Fest für alle Fans ihrer Gute-Laune-Musik (und das sind vor der Bühne wirklich viele!).
Weniger erfreulich ist dieser Umstand für Pia Lüddecke und Ernest, die eine Live-Hörspiellesung auf der trailer-bühne darbieten. Üblicherweise sind die Programmpunkte auf „unserer“ Bühne so angelegt, dass sie zwischen den Pausen auf den anderen, lauteren Bühnen stattfinden. Dank des Doppel-Kuults gibt es auf der 1Live-Bühne aber keine Pause, so dass Pias & Ernests Charme, Witz und Gitarrenspiel von anderer Musik begleitet wird. Aber der Ton ist immer noch angemessen laut, alles ist hörbar, alles ist gut. (Was die trailer-bühne am Sonntag sonst noch zu bieten hatte, lest ihr in einem eigenen Artikel.)
Alternativ über poppig bis rockig
Auch die Ringbühne, auf der noch am vergangenen Tag Any Given Day gezeigt haben, wie brutal Musik sein kann, entspannt sich heute. Bring Your Own Beer und The Drug spielen echte Instrumente und machen sichtlich Spaß, aber auf eine eher gemächlichere Weise. Die Ersteren machen den Sonntag zu einem Blue(s) Sunday und die Zweiteren spielen sich alternativ bis poppig in die Ohren des allmählich sich sammelnden Publikums, bis schließlich Andy Brings & Band mit einer fulminanten Show den Rock 'n' Roll zurückbringen. Definitiv gehört dieses Konzert von den Schauwerten her zu den Top 3 des Festivals. Jedes Bandmitglied – von Frontrampensau Andy über Gitarrist Thilo Hornschild, Bassist Slick Prolidol und Vic Chains an den Trommeln – bis zu den Backgroundsängerinnen Lea Mies und Steffi Nix zeigt sich absolut posingsicher. Nach der Show sagte der Bandchef dem trailer, wie glücklich er darüber ist, mit Menschen, die er liebt, auf der Bühne zu stehen und zu tun, was er liebt und kann. Und das merkt man. Von der Twisted-Sister-mäßigen Hymne „Rock 'n' Roll“ in deutscher Sprache bis hin zu den eher schlagermäßigeren Stücken stecken Freiheitsliebe und Freude am Auftritt drin.
Gegen das Gedränge des Vortags wirkt das Bochum Total heute nahezu verwaist. Aber: Das Fest ist einfach auf deutlich mehr als zweihunderttausend Menschen ausgelegt; wenn die Besucherzahl „nur“ im fünfstelligen Bereich liegt, verläuft sich eben viel. Bei den Headlinern des Abends ist die schiere Zahl der Gäste dann zu sehen.
Zwei ganz unterschiedliche Headliner
Auf der WDR 1Live-Bühne beschließen Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys das Festival, die einzige Gruppe des Festivals, die offen das Etikett (Italo-)„Schlager“ trägt. Aber: „Italoschlager macht glücklich“ – zumindest, wenn man einem Fan aus der ersten Reihe Glauben schenken will. Generell wird hier noch die Popkonzerttradition, Schilder mit Botschaften an die Band mitzubringen, noch genauso hochgehalten wie die Schilder selbst. Frontmann Roy Bianco wirft im Gegenzug unablässig verliebte Blicke und auch mal eine weiße Rose ins glückliche Publikum (das unter anderem aus erstaunlich vielen Teenagern besteht.)
Vor der Ringbühne indes war zeitgleich genug Platz zum Tanzen, aber eben auch die richtige Musik dafür: Boppin’Bs 50er-Jahre-inspirierter Rockabilly-Sound lädt dazu ein sich zu bewegen. Selbst macht der Fünfer das hervorragend vor. Jeder der Musiker nutzt die ganze Bühne, um hin und her zu hüpfen, abzugehen und zu zeigen, wie man seine Musik lebt. Und wenn die Podeste auf der Bühne nicht zu hoch sind, springt man eben zur Coverversion von Sashas „If You Believe“, was wohl eher zu nostalgischen als romantischen Tränchen in den Augen vieler Fans führte, nur um dann mit weiteren energiegeladenen Rhythmen das Festival zu einem Ende zu bringen. Insgesamt haben nach Angaben der Polizei 510.000 Menschen das Festival an vier Tagen besucht.
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