Welche Eltern kennen das nicht? Dass das Plüschtier des Nachwuchses mitten im Raum liegt, ist das ein Ärgernis, aber etwas ganz anderes ist es, wenn die Legosteine zur gemeingefährlichen Trittfalle werden. Da wird ein Wörtchen mit dem Spross fällig! Dumm nur, wenn der Großvater sich auf dessen Seite schlägt und die Erziehung konterkariert … Wussten Sie, dass sich diese Szene so ähnlich auch im Star-Wars-Universum abgespielt hat? Dort ist Fauli allerdings kein Plüschfaultier, sondern ein Ewok, und der Großvater Darth Vader. Und dass das indische Bollywoodkino die Geschichte ebenfalls erzählt, nur getanzt natürlich? Nein? Nun, die Schauspieler, die dem Publikum dies nähergebracht haben, auch nicht. Das ist ja das Ulkige am Improvisationstheater.
Die studentische Impro-Gruppe (K)Impro von der Ruhr-Uni Bochum ist schon Stammgast auf der trailer-bühne und hat das Publikum von Bochum Total schon echt vermisst. Im Impro-Theater reagieren spontan die Akteure auf der Bühne auf Zurufe des Publikums bzw. der „Regisseurin“ oder lassen sich wie Marionetten bewegen, während sie versuchen, die Story zweier junger YouTube-Influencerinnen darzustellen. Gar nicht so einfach, wenn die Puppenspieler ganz andere Flausen im Kopf haben. Dicke Kudos gehen auf jeden an die Gruppe für den Körpereinsatz. Rückwärts und in Zeitlupe von bzw. zurück auf einen Stuhl zu fallen, das muss man erstmal können!
Seon Hee Lee und Frank Joschek waren für die Lyrik auf diesem Festival zuständig. In Natur- und Alltagsbildern – also sprachlichen –schilderten sie das koreanische Leben. Dies ist kein Reisebericht, kein Blick von außen, denn Seon Hee Lee ist Koreanerin. Das ist authentisch. Dass die Lesung entsprechend auch auf Koreanisch und in deutscher Übersetzung stattfand, steigerte die Echtheit. Wer sich darauf einließ, konnte eine Menge über ein fernes Land mitnehmen.
Vom Ruhrpott in den Indischen Ozean
Literarisch, aber, nun, profaner ging es mit Lieven Rother weiter. „Marshall In Love“ heißt sein Romandebut, und die Profanität bezieht sich nicht auf seine Sprache. Die ist klar und direkt, wie es eben im Ruhrgebiet so ist, wo der Krimi spielt. Umso unverblümter sind dann die Eindrücke aus dem Knastleben …
Ebenfalls im Ruhrgebiet spielt Pia Lüddeckes dritter Roman „In Dreams“. Wie bei der Autorin aber üblich, ist der Pott hier nicht klar und direkt, sondern irgendwie verzerrt, die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen. Die Kostprobe am heutigen Tag vermag bloß einen ersten Einblick in die Geheimnisse rund um dubiose Wohnheime und zwielichtige Gestalten am Rhein-Herne-Kanal zu vermitteln … Die Autorin wird kongenial begleitet von Ernest, der sie mit Geräuschen vom Band, der Performance bestimmter Rollen z. B. in österreichischem Akzent sowie virtuos an der Gitarre begleitet. So sind die Shows von Pia und Ernest keine bloßen Lesungen, sondern Live-Hörspiele und Prog-Rock-Konzerte in einem.
Krankheitsbedingt musste das Akustikset des Duos Janou leider ausfallen. Doch zum Glück waren Klowdy, die zwei Tage zuvor schon die Sparkassenbühne begeistert haben, noch vor Ort – klar, man reist nicht so schnell wieder nach La Réunion ab. Das Trio aus dem französischen Überseeterritorium bei Madagaskar vereint karibische Klänge mit einer fantastischen, charismatischen Sängerin und aberwitzigem Gitarren- und Bass-Spiel. Ja, nennt mich Kulturbanause, die Karibik liegt ganz woanders, aber für mich – und nicht nur für mich – klang es eben karibisch. Wichtig ist aber: Da steckt eine ganze Menge Talent hinter. Und eine Bereicherung für die deutschen Ohren war dieses Konzert allemal!
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