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Der Autor im Gespräch mit seinem Übersetzer: Cătălin Mihuleac und Ernest Wichner (v.l.n.r.)
Foto: Benjamin Trilling

Alle gegen den Nestbeschmutzer

06. Juli 2018

Cătălin Mihuleac stellte am 5.7. „Oxenberg & Bernstein“ in der Buchhandlung Proust in Essen vor – Literatur 07/18

Vor wenigen Wochen traf Cătălin Mihuleac einen Arzt in Köln, ein Jude, der vor 45 Jahren aus Rumänien geflohen war. Der Mediziner legte dem Schriftsteller dar, wie er das katastrophale Gesundheitssystem umkrempeln würde, wenn er zurückkehrte. Mihuleac winkte resigniert ab: „Es wird dir niemand erlauben.“

Diese Anekdote erzählt der rumänische Autor an diesem Abend in Essen, um die politischen Verhältnisse in seinem Land zu illustrieren: die korrupte Kaste, die umstrittenen Justizreformpläne und die nationalistische Hegemonie. Für Freigeister ist es schwer, dagegen aufzustehen. Das bekam auch Mihuleac zu spüren, als er im Jahr 2014 „Oxenberg & Bernstein“ veröffentlichte. „Ich habe gedacht, dass die Sache zu Ende ist, sobald das Buch fertiggestellt ist, aber danach musste ich noch in den Ring steigen“, so der Romancier über seinen Kampf, mit der Literatur gegen den Geschichtsrevisionismus anzuschreiben.

Denn „Oxenberg & Bernstein“ (im März auf Deutsch erschienen) setzt sich mit dem Pogrom in Iași, Mihuleac' Wohnort, auseinander und den Verstrickungen Rumäniens in die Shoah, die wird von vielen seiner Landsleute hartnäckig tabuisiert wird. Bis hin zur Deportation und Ermordung von über 15.000 Juden im Juni 1941 auf Befehl des faschistischen Antonescu-Regimes und mit Unterstützung der Wehrmacht. In den Medien und den Bildungseinrichtungen wurde dieses düstere Kapitel bis heute nicht aufgearbeitet.

Das tat nun Mihuleac mit seinem Roman, der die Handlungsstränge über die zwei jüdischen Familien erst zum Schluss zusammenführt. Im Mittelpunkt steht die Familie Oxenberg um den erfolgreichen Gynäkologen Jacques. Man ist angesehenen und wohlhabend. Bis die antisemitischen Ressentiments in der Gesellschaft in offenen Hass umschlägt.

Auf die Veröffentlichung des Romans folgte vor allem Ablehnung: Buchläden boykottierten den Verkauf, JournalistInnen weigerten sich, Rezensionen zu verfassen. „Sie waren der Meinung, das würde dem Ansehen des rumänischen Volkes schaden“, sagt Mihuleac. Ein weiterer Grund für die Aufregung: Der promovierte Literaturwissenschaftler (Thema war das Pamphlet) verfasste seinen Roman trotz des brisanten Themas in einem derben, drastischen Ton. Nicht ohne Grund, wie der 58-Jährige erläutert: „Um ein junges Publikum zu begeistern, muss man vielleicht so schreiben.“ Gerade in die Jugend setze der Autor viel Hoffnung, auch um die rumänische Geschichte aufzuarbeiten.

Doch nicht nur seine Landsleute lehnten den Roman wegen seiner flapsigen Sprache ab. Als Ernest Wichner gefragt wurde, ob er das Werk übersetzen will, lehnte er ab. „Dann habe ich ein Jahr beobachtet, wie man mit ihm in Rumänien umgeht“, erzählt Wichner in Essen. Er revidierte seine Meinung. Es war die richtige Entscheidung: „Oxenberg & Bernstein“ wurde im deutschsprachigen Feuilleton ebenso oft wie positiv besprochen, die Übersetzung wurde für den Leipziger Buchpreis nominiert.

Doch in Rumänien hat Mihuleac mit seinem Roman nichts verdient. Trist und prekär beschreibt er das Leben dort. „Eine kollektive Depression ergreift das Land“, sagt er. „Die Hälfte meiner Zeit verbringe ich in Frankreich.“ Dort schreibt Mihuleac an seinem nächsten Roman. Es soll um die Deportation von Juden und Jüdinnen in Rumänien gehen.

Benjamin Trilling

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