Beim Mülheimer Dramatikerpreis kämpfen sieben bis acht Stückeschreiber:innen um Ruhm und 15.000 Euro und am Ende gewinnt immer Elfriede Jelinek. Die Verballhornung des Zitats vonGary Lineker ist natürlich nicht ernst gemeint, auch der britische Fußballgott hat seine steile Aussage, „… und am Ende gewinnen immer die Deutschen“, längst revidiert – sicher sehr zum Leidwesen bestimmter Gruppen, die sich insbesondere im Osten wieder vermehrt „Führung“ wünschen. Womit wir bereits drin sind in der Stückauswahl der Mülheimer Theatertage, die seit 1976 immer im Mai Theatermacher:innen und Besucher:innen an die Ruhr laden. Gezeigt werden jeweils sieben bis acht Stücke aus dem deutschsprachigen Raum, meist in den Uraufführungsinszenierungen. Eine Besonderheit: Bereits seit 2010 gibt es auch den KinderStückePreis, bei dem fünf Stücke für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren um eine Trophäe konkurrieren, die ebenso hoch dotiert ist wie die für die Abendspielstücke.
Kommen wir noch einmal in den Osten der Republik, wo der Autor Lukas Rietzschel lebt. Mit seinem Stück „Das beispielhafte Leben des Samuel W.“ ist er im Wettbewerb um den Dramatikerpreis vertreten. Es erzählt von einem AfD-Mann auf dem Weg an die Macht in einer sächsischen Kleinstadt. Damit war Rietzschel bereits seit Januar thematisch verdammt nah am blauen Ost-Desaster der Bundestagswahl nur einen Monat später. Die meisten der Stücke befassen sich in diesem Jahr mit gesellschaftlichen Konflikten, sei es eine Horrorkomödie über die Wohnungsnot als Folge der Gentrifizierung („Altbau in zentraler Lage“, Raphaela Bardutzky) oder auch eine böse Abrechnung mit dem einstigen Treiben neo-identitärer FDP-Politiker auf Sylt („Doping“, Nora Abdel-Maksoud). Für Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek sind dies alles Symptome für eine Abwärtsspirale der menschlichen Existenz, deren drohendes Ende in „Asche“ mündet. Das gleichnamige Stück, zu sehen in Jette Steckels Regiefassung für das Hamburger Thalia Theater, behandelt auch anhand der verschwundenen Götterwelt ihr ewiges „Warum?“ in der Endzeit. Wie immer ein mächtiger Text voller apokalyptischer Angst vor Verlust und Zerfall, aber auch eine dramatische Mächtigkeit.
50. Mülheimer Theatertage | 10.-31.5. | div. Orte in Mülheim an der Ruhr | www.stuecke.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Soll das Werk den Meister loben
49. Mülheimer Theatertage – Prolog 05/24
And the winner is …
Auswahl der Mülheimer Theatertage – Theater in NRW 04/23
Schreiben fürs Hier und Jetzt
„Stücke 2022“ in Mühlheim an der Ruhr – Prolog 04/22
Die Welt in Stücken
Alternative Theater-Fakten? Kampf um den Mülheimer Theaterpreis – Prolog 04/17
Schreiben für hier und heute
Die 41. Mülheimer Theatertage NRW „Stücke“ – Theater Ruhr 04/16
Jenseits des männlichen Blicks
„Mother&Daughters“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 04/25
Gegen den ewigen Zweifel
Die Ruhrfestspiele 2025 in Recklinghausen – Prolog 04/25
„Kunst hat keine Farbe, Kunst ist Kunst“
Isabelle und Fabrice Tenembot vom Verein Afrikultur über das 4. Mboa-Festival in Dortmund – Interview 04/25
„Der Text hat viel mit heute zu tun“
Regisseurin Felicitas Brucker über „Trommeln in der Nacht“ am Bochumer Schauspielhaus – Premiere 04/25
Das gefährliche Leben von Kindern
„Blindekuh mit dem Tod“ am Jungen Schauspiel in Düsseldorf – Prolog 03/25
Baum der Heilung
„Umuko“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 03/25
Tanzen bis zum Umfallen
46. Duisburger Akzente – Festival 03/25
Kabarett, Cochem-Style
„Zu viele Emotionen“ von Anna Piechotta in Bottrop – Bühne 03/25
Gewinnen um jeden Preis?
„Alle spielen“ im Studio des Dortmunder Theaters – Prolog 03/25
„Ich liebe die Deutungsoffenheit“
Regisseur Roland Schwab über „Parsifal“ am Essener Aalto-Theater – Interview 03/25
„Die Kraft des Buchs besteht in der Aufarbeitung“
Bettina Engelhardt inszeniert Bettina Flitners Roman „Meine Schwester“ am Essener Grillo-Theater – Premiere 03/25
Was wirklich in den Sternen steht
„Liv Strömquists Astrologie“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 02/25
Tanzende Seelen
„Dips“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 02/25
„Eine Frau, die förmlich im Leid implodiert“
Regisseurin Elisabeth Stöppler über „Lady Macbeth von Mzensk“ in Düsseldorf – Interview 02/25
Nichts für Konfirmand:innen?
„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ in Bochum – Prolog 02/25
„Die perfekte Festung ist das perfekte Gefängnis“
Ulrich Greb inszeniert Franz Kafkas „Der Bau“ am Schlosstheater Moers – Premiere 02/25
Wenn Hören zur Qual wird
„The Listeners“ in Essen – Prolog 01/25
Zwischen Realität und Irrsinn
„Kein Plan (Kafkas Handy)“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Prolog 01/25
Wenn KI choreografiert
„Human in the loop“ am Düsseldorfer Tanzhaus NRW – Tanz an der Ruhr 01/25
Licht in der Finsternis
„Brems:::Kraft“ in Köln und Mülheim a.d. Ruhr – Theater Ruhr 01/25