Haight-Ashbury. Grateful Dead. Purple Haze. Wer jetzt nicht weiß, worum es geht, beruft sich entweder auf die Gnade der späten Geburt oder auf sein seit Kindheit von Lastern und Lust befreites Leben. Der sogenannte „Summer of Love“ jedenfalls feiert, wie interessanterweise auch Luther, in diesem Jahr irgendwie ein rundes Jubiläum. Im Essener Museum Folkwang hängen deswegen die Plakate einer sehr kurzen Zeit, in der die Jugend um 1967/68 das Gefühl hatte, etwas bewegen zu können. Sie bauten auf Love und Peace in San Francisco, statt in Vietnam mit Agent Orange die Wälder zu entlauben oder mit weißen Kapuzen farbige Menschen zu foltern – und sie kreierten dafür die blumenreiche Hippiekultur als Gegenbewegung zum Kapitalismus.
Natürlich hat die Ausstellung, die rund 250 Plakate aus der Sammlung der Hannoveraner Soziologen Lutz Hieber und Gisela Theising zeigt, auch ein bisschen psychedelischen Touch, mit den gebeamten Farbverläufen (Joshua Light Show), mit Jimi-Hendrix-Musik und einem Stroboskop-Raum. Allerdings gefällt mir besonders die Sachlichkeit, mit der das eigentlich flippige Thema transportiert wird. Denn eigentlich waren die meist kleinformatigen Konzertankündigungen auch Teil eines neuen Werbe-Stils, der sich von der längst arrivierten US-amerikanischen Pop Art, dem europäischen Jugendstil und Fin de siècle beeinflusst, in neue psychedelische Gesamtkonzeptionen entwickelte. Kein Wunder also dass da bei Jefferson Airplane-Werbung Klimt-Zitate auftauchen oder von Wes Wilson für die Deadheads (obwohl, eigentlich gab es die da noch gar nicht) visuell bei den alten Ägyptern geräubert wurde. Designer wie Victor Moscoso oder Bonnie MacLean entwickelten aus der Popkultur neue Zeichensysteme, eine neue Typographie und neue Botschaften für die Produkte.
Das Happening als Kunst- und Versammlungsform wurde in jenen bewegten Zeiten benutzt um Aufmerksamkeit für soziale Projekte zu schaffen (Human Be-In). Dafür trafen sich die sogenannte literarische Beat-Generation um Gary Snyder, die Studenten von Berkley und die Blumenkinder für eine neue gemeinsame „Counterculture“. Aber auch der Kampf um die Legalisierung von Marihuana (LEMAR) nutzte die Plakate. Grafiker Rick Griffin verband dafür geschickt die US-amerikanische Historie mit Bildmotiven der Cannabis-Pflanze, und selbst die Hells Angels haben damals Konzerte gegeben. Beim Wandern durch die vielen Beispiele einer neuen Werbekultur, die man irgendwann psychedelische Plakate nannte, fallen einem natürlich viele zeitgenössische Kriegsgebiete und neu aus dem Elend entstandene Religionskriege ein. Was hat sich verändert? Drogen sind auch heute allgegenwärtig, die „Diggers“ die damals der Idee folgten, eine Gesellschaft ohne Eigentum und Kommerz aufzubauen, sind in der Zeit verschwunden, nur die Modedesignerin Vivienne Westwood scheint irgendwie etwas vom Spirit herübergerettet zu haben. Der Rest ist vom Kapitalismus entsorgt worden. Eigentlich traurig.
„Plakate im Summer of Love“ | bis 3.9. | Museum Folkwang Essen | 0201 884 50 00
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